Zwei Uhr morgens. Pfingstwochenende. Einzelne Nachtschwärmer sind noch in der Stadt unterwegs. Ich höre das Rauschen des Inn, der aufgrund der Niederschläge und Schneeschmelze auf den Gletschern zu einem mächtigen Fluss geworden ist. Am Rande der Fahrradwege und Straßen stehen oder liegen immer wieder die elektrischen Leihscooter; manch einer ist aber auch einfach in der Fahrbahn abgestellt. Außerhalb der Stadt beginne ich die bessere Nachtluft zu atmen. Fast warmer Wind weht mir entgegen. Außerhalb der Stadt können Sterne gesehen werden. Das Wetter passt also. Meditativ geht es dann von Gnadenwald im Schein der Stirnlampe die mir so bekannten Kehren hinauf zur Hinterhornalm (1522 m). Die Schafe dort lassen sich von mir in ihrem Schlaf nicht stören. Ich hebe mein Rad in die Hängevorrichtung. Während ich auf die beiden Begleiterinnen für die Tour warte, genieße ich die Dunkelheit und das Funkeln von Tausenden Lichtern im Inntal. Die Taschenlampe leuchtet den noch nassen Steig aus. Wir steigen flott auf. Der Steig ist top markiert. Die blaue Stunde hat begonnen. Rasch gewinnen wir an Höhe. Weiter oben heißt es hin und wieder den Fels anzugreifen oder das Stahlseil zur Sicherung zu halten. Halb fünf Uhr morgens. Bald ist der Hundskopf, unser erster Gipfel für heute, erreicht. (2229 m) Wir sind früh genug, um den Übergang von der Nacht in den Tag mit aufgehender Sonne dankbar genießen zu können. Im Osten hat der Himmel sein schwarzdunkles Blau verloren und es wandelt sich mehr und mehr in ein sattes Rot mit unzähligen Orangetönen. Die Karwendelberge im Hintergrund sind bald rötlich gefärbt und dann – nach langem Warten – kommt in einem golden Schein die Sonne hinter der Fiechter Spitze hervor. Der Grat hinüber zur Hohen Fürleg gilt als schwierig, wo absolute Trittsicherheit und Schwindelfreiheit als Voraussetzung gelten. Da gibt es Sicherheit, dass eine Begleiterin wie eine Gämse auf dem schmalen Grat, über die Kletterstellen und vor allem in dem bröseligen Karwendelfels sich so ganz wohl fühlt. Zunächst klettern wir den kurzen Klettersteig hinunter zur Scharte, wo der Grat beginnt. Die Stellen, wo man entlang von den abschüssigen Wänden auf engen Schotterbänden quert, mag ich einfach nicht. Da fühle ich mich immer unsicher. Es geht über die Traten zur Walderkampspitze (2565). Auf der Hohen Fürleg (2570 m) machen wir Rast. Mächtig sind die Ausblicke hinein ins Karwendel, hinunter ins Vompertal und hinüber zur Lamsenspitze. Im Abstieg folgen wir dem gleichen Weg zurück. Unten schaue ich einmal zurück auf den mächtig wirkenden Gebirgsblock. Viel Dankbarkeit ist in meinem Herzen.