Mächtig und kaum besteigbar wirken die schroffen Gipfel der Kalkkögel von der Axamer Lizum aus, doch führt über die beiden ein markierter schwarzer Steig mit Kletterstellen und fallweise Stahlseilen. Zuerst geht es durch einen Mischwald vom Parkplatz der Lizum hinauf Richtung Halsl. Die Almwiesen sind vom gestrigen Regen sattgrün. Ein Kuckuck ruft. Vögel zwitschern. Ein Bach plätschert. Die Geräusche der Stadt sind vergessen, obwohl Innsbruck so nahe ist. Bei einem Joch zweigen sich die Wege. „LUSTIGE BERGLER-STEIG: NUR FÜR GEÜBTE“ heißt es auf dem einen Schild. Bald beginnen dann die Felsen und ausgesetzten Steige, die sich um die Felsnadeln, Kamine und Schluchten herumwinden. Jetzt, am Pfingstmontag, sind fast alle Schneereste verschwunden. Ich bin bei den ausgesetzten Steigen, die zum Teil sehr schmal und manchmal auch noch mit rutschigen Steinchen bedeckt sind, besonders vorsichtig. Die mag ich einfach nicht – und heute gibt es besonders viele davon. Ich bin jedenfalls immer froh, wenn es dann festen Fels oder Stahlseile zum Halten gibt. Ein Kletterhelm wäre auf dieser Strecke jedenfalls von Vorteil. Heute sind zum Glück nur wenige unterwegs. 1:45 Minuten sind es von der Lizum bis zum Ampferstein, 1. Gipfel für heute, 2556 m. Vom Stubaital herauf ziehen Nebelschwaden. Sattgrün sind auf der anderen Seite die Felder und Wiesen im Inntal. Es ist kühler, als in den letzten Tagen. Tiefblau – so blau wie die Enziane, die um diese Zeit zahlreich blühen – ist der Himmel, der immer wieder von den weißen Wolken freigegeben wird. Nun geht es wieder weiter im Kalkkögel-Modus: schmale Steige, die sich um die bizarren Felstürme schlängeln, Felsbänder, zwischendrin leichte Kletterpassagen – und 45 Minuten später sind wir auf der Marchreisenspitze (2623 m). Wir bleiben lange am Gipfel. Der Abstieg geht auf den schmalen Steigen zunächst südlich Richtung Stubaital-Schlick hinunter. Zum Greifen nahe sind die anderen Gipfel der Kalkkögel – Steinkogel und Ochsenwand. Die Stecken geben auf diesen engen Steigen mehr Balancegefühl. Trittsicherheit und Schwindelfreiheit braucht es jedenfalls hier. Das kräftige Blau der Enziane korrespondiert mit dem kräftigen Blau des Himmels. Manchmal ist es eben so, dass ein Stück Himmel auf die Erde fällt, philosophiere ich, während meine Füße beschäftigt sind, sicheren Tritt auf den abschüssigen Steiglein zu finden. Über ein Joch führt dann schließlich eine steile Rinne hinunter in das Lizumer Kar. Mit all den Pausen auf den beiden Gipfeln und einem Fußbad in einem Bergbach waren es dann für die 11 Kilometer und 1223 HM weniger als 5 Stunden. Tatsächlich gilt für diese Überschreitung aber wirklich der Hinweis: Nichts für Unerfahrene.