Bettelwurf

ich tauche ein in das noch Dunkle der Nacht
halte Ausschau nach den Sternschnuppen am Himmel
dass sie erfüllten ein paar meiner Wünsche
die letzten Nachtschwärmer der Stadt wanken seltsam nach Hause
leise surren die Kugeln im Rad

kräftig rauscht der Bach
wir reden über ein Gestern und Heute
von den Berghängen der Wind weht talauswärts
das Farbenspiel am Himmel beginnt
dunkelschwarz wird tiefblau

weiß leuchten die Helme
golden leuchten die Berge
die Karabiner klicken ins Seil
der Fels gibt Halt den Händen und Füßen
Meter um Meter geht es empor

die Schlüsselstelle ist schnell überwunden
1300 Klettermeter warten auf uns
ein Felsblock wie eine Brücke über die Schlucht
tief das Halltal bald rauscht
die Seile der Seilbrücke wackeln enorm

ein kleines Frühstück noch auf der Hütte
zeitlos sind wir unterwegs
die ersten wir waren im Steig
aus der Fülle an Zeit können wir schöpfen
zwei weitere Gipfel warten auf uns

am Südgrat entlang bis zu den Felsen
über Bänder und durch Rinnen
schier endlos geht es bergauf
Kletterei bis 2-
nur manchmal ein Fixseil

am Gipfel des Kleinen Bettelwurf
dahinter die Größe des Karwendels liegt
tief unten das Vomperloch und Halleranger
im Norden eine kaum messbare Fülle an Gipfeln und Graten
jedes Mal in mir ein Staunen

vom Kleinen Bettelwurf geht es zum Großen
vorsichtig auf Steiglein entlang der Abbrüche
die C/D-Stellen entlang der dicken Drahtseile
die Markierungen im Auge behalten
manchmal ein freies Klettern im festen Fels

der Bettelwurf wird Hausberg mir bleiben
vierthöchster im Karwendel mit 2725 Metern
der Wind spielt mit der Feder eines Vogels
manche Gefühle sind federleicht
manche sind spitz und schwer wie die Steine

geteiltes Gipfelglück ist viel größer
wie ein Balancieren am Grat
sucht die Seele nach Gleichgewicht
wie ein Klettern im Absturzgelände
sucht die Seele den Halt in Begegnungen

2000 Höhenmeter Abstieg beginnen
Drahtseile sichern den Normalweg hinunter
Vorsicht hat weiterhin Vorrang
die Hütte kommt näher
Kaspressknödel und Säfte bieten sich an

ohne Eile steigen wir ab
kühlender Wind bleibt Begleiter
Gämsen hüpfen elegant über die Steine
Blumen, Beeren und Bäume am Weg
Geschichten aus dem Leben wir teilen

talein weht der Wind
goldenrot sind gefärbt die Berge
rot die Wolken am Himmel
eine dankbare Umarmung zum Abschied
ich tauche ein in den Trubel der Stadt

klaus h., 14. 8. 2022