Freitag, 18.00 Uhr. Annasäule in der Maria-Theresien-Straße. Der letzte Freitag in einem Monat. Ein Fixpunkt ist mir solche Terminsetzung geworden, fast so wie in meinem früheren Leben der sonntägliche Kirchgang. Und es gibt tatsächlich einige Parallelen. Zum einen trifft sich hier eine große Gesinnungsgemeinschaft von Menschen, die ein Ziel eint. Sie wollen das Radfahren in der Stadt propagieren. Auch Innsbruck ist wie die meisten Städte dieser Welt ein Tollhaus von Autofahrenden. Sie beeinträchtigen die Lebensqualität in der Stadt. Lärm und Abgase sind die Folge. Autos beanspruchen enorm viel Platz: Radfahrende und Zufußgehende werden an die Ränder verdrängt. Zum zweiten gibt es wie in einem kirchlichen Kontext Leute, die sich ehrenamtlich Zeit nehmen, die monatlichen Demos vorzubereiten. Sie haben sich schon länger den Namen Critical Mass gegeben. Auf ihrer Facebook-Seite lautet das Mission-Statement so: „Die Critical Mass dient als Mittel gegen die Aushöhlung des öffentlichen Raums. Möglichst viele Menschen treffen sich dazu zu einer gemeinsamen Fahrradtour durch die Stadt. Ziel ist es, eine ‚kritische Masse‘ zu erreichen, sodass dem motorisierten Verkehr auf Augenhöhe begegnet werden kann. Die Critical Mass findet in Innsbruck und in zahlreichen anderen Städten der Welt immer am letzten Freitag des Monats statt. Wir blockieren nicht den Verkehr, wir sind der Verkehr. Wir halten die Verkehrsregeln ein und versuchen die unreflektierte Dominanz der Autos in der Stadt zu durchbrechen. Jeder passt auf die anderen auf und hält die Gruppe zusammen. Um zusammenzubleiben bewegen wir uns. Autos machen Lärm, wir machen Musik!“ Drittens gibt es bei dieser Fahrradtour – sie wird nicht als „Demonstration“ bezeichnet, auch wenn Polizeibeamte auf ihren Dienstmotorrädern die Radfahrenden achtsam begleiten und schützen, indem die Straßen abgesperrt werden – wie bei einem Gottesdienst Glockengeläute, eben die Fahrradglocken, und Musik aus einer kräftigen Lautsprecherbox, die mit einem Lastenrad mitgeführt wird. Die Stimmung freilich ist weit fröhlicher als bei vielen Gottesdiensten. Meist dauert die Tour mehr als eine Stunde und folgt jeweils einer anderen Route.
Überraschend stoppt die Tour diesmal zwischen den Hochhäusern im Innsbrucker Stadtteil Reichenau dort, wo es noch eine große, unverbaute Wiese gibt. „Weltacker“ steht auf einem der Schilder. Die Grundidee der „Weltacker-Idee“, die auch in anderen Orten realisiert wurde, ist einfach: Jeder Mensch dieser Welt hat 2000 m2 Ackerland zur Verfügung, um damit seinen Jahresbedarf an Ernährung zu decken. Auf einer solchen Fläche in Innsbruck hat die Genossenschaft feld:schafft den Weltacker realisiert. Das heißt: Dort wird eine Fülle an Pflanzen angebaut, die ein Mensch für sein Leben braucht. Das Spektrum reicht von Getreide über diverse Hülsen- und Ölfrüchte bis zu Faserpflanzen, Obst und Gemüse. Die Genossenschaft tut aber noch weit mehr, als den Weltacker zu betreuen. Sie sammelt Lebensmittel, „die aus der (Normen)reihe tanzen“ und verwandelt sie zu Produkten und Gerichten, die vermarktet und serviert werden. Ich bin so dankbar für solche Initiativen, die konkret zeigen: Eine andere Welt ist möglich – eine Welt der Achtsamkeit der Schöpfung gegenüber.