Von Versuchen beim Reden über das Fliegen verstanden zu werden

Persönliches zu Beginn

Ich rede nicht von dir und von mir und nicht von uns, um unser befreundetes Sein nicht zu irritieren, wenn du anders denkst als ich. Ich schreibe hier über Fakten, ganz frei von dir und von mir, und es sei dir und mir selbst überlassen, welche Konsequenzen wir, du und ich, aus solchen evidenzbasierten Fakten ziehen, die da so unwidersprochen und eindeutig seit Jahren wissenschaftlich erhärtet sind und wir ablesen könnten – Tag für Tag – aus dem Zustand des Planeten.

Ich merke oftmals, mich mit meiner ökologischen Kritik am Fliegen rechtfertigen zu müssen, und suche den Dialog, suche das Gespräch, suche Worte, die nicht verletzen, suche Argumente, die verständlich sind, um mir dann nicht einsam mit tränennassen Augen die sterbenden Gletscher zu vergegenwärtigen, die ich so gerne mag, und ich kann nicht anders, als die sterbenden Gletscher und auftauenden Permafrosthänge mit den Kondensstreifen am blauen Himmel in Verbindung zu bringen.

Warum ist es so, dass ich ein Bild von einer europäischen Bergsteigergruppe am Chimborazo nicht nur cool finde? Warum bekommen solche Bilder aus den südamerikanischen Anden oder von nepalesischen Trekkingtouren von mir keine Likes und kein Smiley, sondern eine seltene Notiz wie diese, die dann in entsprechendem Forum wiederum als unpassend gesehen wird: „Liebe … Bin gespannt, was du erzählen wirst von den schwindenden Eismassen auf dem Chimborazo und den anderen Giganten der Anden, wo die Gletscher noch schneller verschwinden als hier in den Alpen, weil Menschen den Klimawandel mit ihrem Verhalten befeuern. Als Humboldt in Ecuador dazu forschte und von 4.000 Höhenmetern an Eis vorfand, lag die Durchschnittstemperatur in Ecuador noch 2 Grad unter den heutigen Messungen. Was sind die Antworten, unsere Antworten, wenn die Trinkwasserversorgung für die Millionenstadt Quito nicht mehr gegeben sein wird? Als ich – als Student auf dem Landweg mit Zug und Bus Cotopaxi und Chimborazo begegnete, war deren Eismasse noch 60 Prozent größer. Gletscher sind eben das Fieberthermometer des Planeten, um den ich so Angst habe. Treffen wird es einmal mehr die Menschen in den Elendszonen Lateinamerikas. Ich weiß, das ist ein anderer Blickwinkel, der so gar nicht zu deinen schönen Fotos zu passen scheint. …“

Noch viel mehr könnte ich darüberschreiben, was uns in der Weltgemeinschaft beunruhigen sollte: Von den Hitzewellen in Chile im vergangenen Sommer, der eigentlich ein Winter hätte gewesen sein sollen; vom Meereseis in der Antarktis, das selbst im Winter nicht mehr anwächst; von riesigen Dürreperioden in Argentinien; von …

In diesen Tagen des ausgehenden 2023er-Jahres beschäftigt mich die Lage des Planeten aufgrund der Schieflagen im politischen Weltgeschehen besonders. Von Argentinien über die Niederlanden bis nach Österreich werden Kräfte emporgespült, die den Klimawandel leugnen und mit ihren politischen Ausrichtungen Katastrophen befeuern. Javier Milei, Greet Wilders und Herbert Kickl – Männer, für die es keinen Klimawandel gibt und die klimaschützende Bewegungen diffamieren, sind im rechtspopulistischen Aufwind wie die Fliegerei.

Während ich diese Zeilen in meinen Blog tippe, setzen sich rund 70.000 Menschen in ein Flugzeug, um zur Weltklimakonferenz in Dubai zu jetten. Die Widersprüchlichkeit ist offensichtlich.

Ökologisches Nachdenken über das Fliegen

Flugreisen seien das „größte ökologische Verbrechen“, lese ich in einem Bericht in einer der renommierten Zeitungen Deutschlands. Es entspreche der ökonomischen Logik vieler Menschen, in Billigflieger zu steigen, um in ferne Länder zu kommen. Man spare sich dabei etwas und Dopamin erzeugt ein kurzfristiges Glücksgefühl, das aber bald wieder bei einer nächsten und übernächsten Flugreise zum Schnäppchenpreis mit Billigflug gestillt werden möchte.

Die Klimagasemissionen erwärmen die Erde mit verheerenden Folgen für Ökosysteme und Artenvielfalt. Fluglärm und Schadstoffe kommen noch dazu. Die Folgen sind tödlich. Und trotzdem wird scheinbar ungerührt geflogen, und trotzdem steigt die Zahl der Flugbewegungen.

Das beschleunigte globale Wirtschaftswachstum der vergangenen Jahre kommt auch im Luftverkehr an: Laut Europäischer Umweltagentur haben sich die durch den Flugverkehr verursachten Treibhausgase in der EU seit 1990 mehr als verdoppelt. Seit 2010 stiegen sie noch einmal um mehr als ein Viertel. Jedes Jahr rechnen Behörden mit einer globalen Zunahme von drei bis vier Prozent. Insgesamt wuchs die weltweite Luftfahrt zuletzt um 7,6 Prozent. Besonders stark war das Wachstum in Europa, wo der Luftverkehr um 8,2 Prozent zulegen konnte. Bereits im Jahr 2013 hatte der Flugverkehr in Österreich rund 705.000 Tonnen Treibstoff verbraucht und dadurch 2,17 Millionen Tonnen CO2 verursacht. Der Flugverkehr trug also bereits vor sechs Jahren so viel zu Treibhausgasen bei wie rund eine Million Autofahrer mit ihrem privaten Pkw in einem ganzen Jahr emittieren. Der Flugverkehr trägt zum Klimawandel bei, auch wenn er in der Kyoto-Klimabilanz nicht aufscheint. In Österreich sind die CO2-Emissionen des Flugverkehrs 1990 um mehr als das Doppelte gestiegen. Pro Personen-Kilometer verursacht der Flugverkehr doppelt so viele CO2-Emissionen wie Diesel- und Benzin-Pkw und 31-mal so viel wie die Bahn.

Kondensstreifen hinter Flugzeugen und ihre Folgen heizen die Erde stark auf. Sie verursachen bereits mehr Erderwärmung als durch das angesammelte Kohlendioxid seit Beginn der Luftfahrt ausgestoßen wurde. Aus den Kondensstreifen entstehen die Zirren; das sind Wolken aus Eispartikeln. Ihre Fläche ist etwa neunmal größer als der linienförmige, meist sichtbare Streifen, den Flugzeuge am Himmel hinterlassen. Da Kondensstreifen in der Luft enthaltene Feuchtigkeit verbrauchen, reduzieren sie die Bedeckung durch natürliche Wolken. Beide – natürliche und künstlich erzeugte – Zirren verringern jedoch die Infrarotausstrahlung der Erde und erwärmen so das Klima.

Die Landungen am nahen Innsbrucker Flughafen steigen beständig, lese ich in der lokalen Tageszeitung, aus der mir der Flughafendirektor zufrieden entgegen lächelt.

Ich vergegenwärtige mir einige der Fakten, die miteinander zu tun haben und in einem Miteinander ein menschheitsgefährdendes planetarisches Katastrophenpotenzial bedeuten.

  • Der Welterschöpfungstag ist jedes Jahr noch früher. Die Plünderung des Planeten schreitet voran. Die Treibhausgasemissionen steigen.
  • 80 Prozent der Menschen haben noch nie ein Flugzeug bestiegen.
  • Dennoch trägt die globale Luftfahrt mit rund 5 Prozent der Emissionen zur Klimakrise bei. 
  • Durchschnittlich verbraucht ein Flugpassagier pro 100 Kilometer 5 Liter Kerosin.
  • Aufgrund der in 10.000 Kilometer Höhe gegebenen Bedingungen bedeutet die Verbrennung von 5 Litern Kerosin eine Klimaschädlichkeit von 25 Litern.
  • Laut Greenpeace belastet eine einzige Flugreise von Wien nach New York die Erdatmosphäre durchschnittlich so stark wie ein Jahr Autofahren.
  • Im Verhältnis zur Bahn verursacht das Auto 10-mal so viel CO2-Emissionen, ein Langstreckenflug 18-mal und ein Kurzstreckenflug 23-mal so viel.
  • 76 Prozent aller Flugreisen gehen auf Privatflüge zurück.
  • Kurt Langbein hat in seinem Film „Zeit für Utopien“ aufgezeigt, wie klimaschädlich Fliegen ist. So entspräche eine Flugreise nach New York genau jenem CO-2-Verbrauch, den ein Mensch pro Jahr beanspruchen könnte, damit die Kyoto-Klimaziele eingehalten werden könnten.
  • Die Zahl der Fliegenden steigt beständig an. Eine Verdoppelung im Vergleich zu 2019 (4,5 Milliarden Flüge) wird prognostiziert.
  • Es gibt aktuell keine ökologische Lösung für Fliegen – außer einem Verzicht.

Fakt ist: Fliegen ist eindeutig die klimaschädlichste Fortbewegungsart, die zugleich am meisten beworben und am wenigsten besteuert wird, was heißt: Die ökologisch bedenklichste Fortbewegungsart wird von der Politik gefördert.

Die Flugzeuge verbrauchen Unmengen an Kerosin. Die Ölvorräte dieser Welt gehen zu Ende. Dort, wo gebohrt und gefördert wird, werden ganze Landstriche verwüstet und wird das Leben der ansässigen Bevölkerung gefährdet. Die Bohrinseln sind ein permanentes Gefährdungspotenzial: Dennoch bleibt der Preis für Kerosin auf niedrigem Niveau. Wegen der knapper werdenden Ölvorräte werden heute schon Kriege geführt und künftige geplant. Der Arktis drohen durch Ölbohrungen gigantische Umweltdesaster.

Und die Konsequenzen?

Die Erderhitzung verlangt von allen einen neuen Lebensstil. Es passt dann nicht mehr zusammen, wenn jemand im Alltag das Jahr über nachhaltig lebt, versucht Plastik zu vermeiden, Öko-Produkte kauft und sonst wenig mit dem Auto fährt, dann jedoch in ein fernes Land reist, um dort beispielsweise Berge zu besteigen.

Die Atmosphäre gehört allen Menschen und es ist nicht fair, wenn sie von einer kleinen Minderheit vergiftet wird.

Auch die politischen Maßnahmen werden seit vielen Jahren genannt. Es bräuchte beispielsweise endlich eine Besteuerung von Kerosin und eine Steuer auf die Flugtickets. Das vermeintlich günstige Fliegen ist eine hoch subventionierte Form der Fortbewegung. Solange Kerosin nicht besteuert wird, führt dies zu einer krassen Marktverzerrung: Schätzungen zufolge beläuft sich die Steuerfreiheit für Flugzeugtreibstoff auf 14 Milliarden Euro pro Jahr alleine in der EU, dazu kommen Begünstigungen aus der Mehrwertsteuerbefreiung im Wert von 16 Milliarden Euro.

Es braucht aber auch: Eine kritische Sicht auf das eigene Verhalten und den Mut, die ökologische Verantwortlichkeit anzusprechen.

Flugscham und es geht anders

Greta Thunberg hat es eindrucksvoll vorgelebt. Konsequent fuhr sie in den vergangenen Jahren selbst zu all den Veranstaltungen, Konferenzen und Begegnungen in verschiedenen Teilen Europas nicht mit dem Flugzeug und lehnte Einladungen außerhalb Europas ab, die mit einem Fliegen verbunden gewesen wären. So reiste sie medienwirksam zum Weltklimagipfel nach Kattowiz, zum Weltwirtschaftsforum nach Davos, nach Brüssel zum Europäischen Parlament oder in in den Vatikan zu Papst Franziskus. Sie ist damit auch Teil einer Bewegung in Schweden, die das Wort „Flygskam“ – „Flugscham“ geprägt hat. Einer der prominentesten Vertreter ist der ehemalige Biathlet und Olympiasieger Björn Ferry, eine Leitfigur im Langlaufsportland Schweden. Als Kommentator für das Fernsehen reist er nur noch mit dem Zug.

Innerhalb von Europa kann wohl gänzlich auf ein Flugzeug verzichtet werden. Der positive Nebeneffekt für Bahn-Reisende: Man nähert sich dem Urlaubsland langsamer, nimmt landschaftliche Eindrücke auf und kann sich bereits auf dem Weg in den Urlaub oder zu beruflichen Zwecken auf die veränderten klimatischen Bedingungen einstellen.

Vor allem aber gilt heute besonders: Muss es wirklich eine ferne Destination sein, oder könnten nicht viel mehr die Schönheiten vor Ort mehr entdeckt und genossen werden? Ein Selfie von einer Südseeinsel wird ein Enkelkind in 40 Jahren, wenn die Gletscher verschwunden sein werden und ebendiese Insel unter Wasser sein wird, einmal anders beurteilen.

Längst müssten wir alle zur Einsicht gelangt sein, dass ohne „Verzicht“ auf bestimmte Verhaltensweisen der ökologische Supergau nicht mehr aufzuhalten ist. Jeder und jede muss sich daher zehnmal und mehr prüfen, ob eine Flugreise wirklich sein muss oder ob das Ziel nicht auch mit der Bahn erreicht werden könnte. Daher ist es gut, wenn nun wieder mehr daran gedacht wird, das Bahnsystem – vor allem bei Nachtfernzügen – wieder zu verbessern. Es gäbe genügend Geld für solche Maßnahmen, wenn beispielsweise eine Kerosinsteuer oder bestimmte Flugabgaben für eine ökologische Trendwende benützt würden. Wenn ein Ziel sich ohne Flug nicht erreichen ließe, muss selbst das angestrebte Ziel infrage gestellt werden.

Schlusswort

Ich möchte verstanden werden, besonders von Menschen, die mir nahe sind, die ich wegen ihres Fliegens nicht kritisiere. Ich möchte verstanden werden, wenn ich schreibe über das Fliegen, und möchte nicht jene Einsamkeit spüren müssen, wenn ich sage: ich fliege nicht! Es fällt schwer, als „Spaßverderber“ in eine Ecke geschoben zu werden. Es tut gut, darüber im Gespräch zu bleiben.

Klaus Heidegger
(Bild: Fußgängerunterführung in Trient)

Kommentare

  1. Mir geht es genau so! Ich hab das Floegen schon längst aufgegeben und sage das auch deutlich… doch mehr als verständnisloses bis abwehrendes Achselzucken hab ich noch nie zur Antwort bekommen – maximal sowas wie „was kann ich als Einzelne schon tun, das bisschen Vergnügen lass ich mir nicht vergällen“

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