Eingetaucht in ein anderes Sein lasse ich mich für ein paar Tage auf eine mir sonst fremde Lebenswelt ein. Schon lange vor der Ankunft des ICE in Köln stimmt eine Gruppe von Burschen im Zug mit einer Kiste Bier auf das Karnevalsgeschehen ein. Abends im Bahnhof und dann in der U-Bahn auf der Fahrt zu einer typischen Karnevalsparty mache ich mich vertraut mit der mir fremden Lebenswelt – beziehungsweise werde ich liebevoll in dieses Geschehen hineingeführt. Verkleidung bzw. Karnevalskostümierung zählen zur Pflicht. Eine Band spielt die Lieder, bei denen alle – wirklich alle – kräftig die Refrains mitsingen bzw. zu den Rhythmen mittanzen. Dazu wird reichlich Kölsch getrunken, ein helles, obergäriges Bier, das ebenfalls ein Markensymbol für die Rheinmetropole geworden ist. Dennoch ist hier niemand wirklich betrunken. Die Stimmung ist überschwänglich und freundlich und ausgelassen, ohne aber ins Negative zu kippen. Man freut sich am Erleben von Gemeinschaft, an der Pflege einer ganz besonderen gemeinsamen Kultur, an der Musik, den Rhythmen, dem Singen. Die gemeinsame, ausgeprägte Mundart – das Kölsch, gleichlautend wie das Bier, vertieft das Zusammengehörigkeitsgefühl. Ich schwanke zwischen der Rolle des von außen intellektuell-politischen Beobachtenden einerseits und dem Mitfeiernden andererseits, dem ich mich weder entziehen kann noch will. In der ersten Rolle betreibe ich Cultural Studies. Der Karneval ist erstens jener so wichtige Ausdruck, wo es keine Klassenhierarchien mehr gibt. Alle können sich als gleichwertig erleben. Man feiert, singt und tanzt und trinkt auf gleicher Ebene miteinander. Zweitens sind die Narreteien wohl auch politisches Statement: Man darf aus den zugewiesenen Rollen herausschlüpfen, man darf wild und unangepasst sein und muss nicht die Rolle übernehmen, die sozio-kulturell vorgeschrieben ist und in der man für ein System funktionieren muss. Man darf sich drittens vor allem aber auch des Lebens freuen – trotz oder gerade wegen all der Miseren, die es individuell wie politisch-ökonomisch zuhauf gibt. So kann auch ich sagen, dem die Sprache und das Geschehen fremd ist, alaaf.