Den starken Mann bändigen!

bändige den „starken Mann“
doch ohne Gewalt:
der Satan wird nicht ausgetrieben
mit Beelzebul und all seinen Dämonen

fessle das Böse
mit List und Vernunft:
Liebe und Sanftmut
löschen aus die Saat der Gewalt

nur wenn das Böse seine Stärke verliert
nur wenn die negativen Kräfte gebändigt sind
wird im Haus Frieden sein
werden alle tanzen, lachen und glücklich sein

Gedanken zum Evangelium Mk 3,20-35

In Tirol wird am Sonntag (9.6.2024) das Herz-Jesu-Fest gefeiert. In den katholischen Kirchen des Landes wird dieser traditionelle Höhepunkt in heimischer Volksfrömmigkeit das Evangelium verdrängen, das laut Leseordnung für diesen Sonntag vorgesehen ist. Nur auf den ersten Blick mag diese Perikope schwierig zu verstehen sein. Nur wer in der Botschaft der Evangelien eine frömmlerische, weltabgewandte und jenseitsorientierte Geschichte sieht, wird die im 3. Kapitel des Markusevangeliums (Mk 3,20-35) überlieferten Worte nicht verstehen (wollen). Aus dem Blickwinkel der historisch-kritischen Exegese handelt es sich dabei mit ziemlicher Sicherheit um „echte Jesusworte“ (ipsissima verba Jesu), die hier in eine von der markinischen Gemeinde knapp nach dem sozialen Trauma der Zerstörung Jerusalems um das Jahr 67 n. Chr. Rahmenhandlung gesetzt worden sind. Unmittelbar vor dieser Perikope wird geschildert, wie Jesus seine Jüngerinnen und Jünger mit dem Auftrag sendet, Dämonen auszutreiben, so wie er es selbst auch tut. In einem Haus in seiner Heimatstadt Kapernaum in Galiläa spielt sich dann die folgende Szene ab. Schon diese ganze Einleitungsszenerie ist aus sozialkritischer Perspektive bezeichnend: Jesus, der in die Häuser geht, dorthin, wo die Menschen mit all ihren Sorgen, Ängsten und Träumen leben, wo sie sich stärken und lieben. Dort auch will er mit den Menschen essen und trinken. Weil diesmal aber so viele Menschen versammelt sind, funktioniert das mit dem gemeinsamen Mahlhalten nicht mehr. (Vers 20) Gleich mehrfache Gewalt dringt in diese Welt nun ein. Die Gewalt der Worte. Man unterstellt jenem, der Gutes tut, der heilt und zum Teilen ermuntert, er stünde mit dem Teufel im Pakt. Ein klassischer Fall von „Rufmord“. Solche Verdächtigungen könnten dann auch Raum machen bzw. Legitimation geben für direkt physische Gewalt. Emotional am schlimmsten ist es wohl, dass die eigenen Angehörigen sich gegen Jesus stellen und ihm vorwerfen, er sei „von Sinnen“ (Vers 21) Das dürfte besonders emotional schmerzhaft sein – wie immer, wenn Streit in der eigenen Familie erfahrbar wird, wenn sich in intimste Beziehungen Missgunst und Neid hineinschleichen und Unterstellungen wie emotionale Messerstiche sind. Die direkt physische Gewaltbedrohung wird sichtbar im Auftreten und der Anwesenheit der Schriftgelehrten, die eigens den damals beschwerlichen Weg von ihrem Machtzentrum in Jerusalem ins rebellische Land Galiläa wagten.  (Vers 22) Die bestehende Ordnung – so ihre Mission vorwärts – soll nicht infrage gestellt werden. Jesus argumentiert vernünftig auf die Vorwürfe, die ihm gemacht werden. Jesus wählt den Weg des Dialogs, nicht der Dialogverweigerung. Für ihn gilt: Worte statt Waffen! In diesem Kontext finden wir nun das folgende Jesuslogion: „Es kann aber auch keiner in das Haus des Starken eindringen und ihm den Hausrat rauben, wenn er nicht zuerst den Starken fesselt; erst dann kann er sein Haus plündern.“ Am Tag der EU-Wahlen denke ich an den „starken Mann“, der das Haus Europa spaltet und teilt, der Völker und Nationen und die Menschen gegeneinander aufwiegelt. Sie sind im Aufwind, vom Rassemblement National in Frankreich über die Neofaschisten in Italien, die AfD in Deutschland oder die Rechtsradikalen in Österreich. Für den starken Mann steht aber auch das System neokapitalistischer Strukturen in der globalen Ökonomie, stehen Männer wie Putin mit ihren imperialen Denkmustern von Russka Mir, stehen die Nato und ihre Mitgliedsstaaten, die – mit wahrsten Sinn der Redewendung – „auf Teufel komm raus“ aufrüsten und in diversen Kriegsschauplätzen dieser Welt mitwirken.

Die rationale Gleichung Jesu, dass man den Teufel nicht mit dem Teufel austreiben könne, ist zum geflügelten Weisheitswort geworden. Am Tag, an dem die genannten Worte in den katholischen Kirchen gelesen werden, denke ich an den Geburtstag von Bertha von Suttner. Ihre Deutung vom Teufel, der nicht mit dem Teufel ausgetrieben werden kann, lautet: „Keinem vernünftigen Menschen wird es einfallen, Tintenflecken mit Tinte, Ölflecken mit Öl wegputzen zu wollen — nur Blut, das soll immer wieder mit Blut ausgewaschen werden!“

klaus.heidegger, 9.6.2024
(Bild: Unterwegs zwischen Senderstal und Fotsch, Salfeinersee und Grieskogel)

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