naturiert

wo kein Mähroboter
lebendige Vielfalt zerstört
dort spür‘ ich das Leben

wo kein Motorengeräusch
menschliche Nerven zersägt
dort fühl‘ ich die Ruhe

wo eine Kröte mit dynamischem Sprung
in einem Tümpel das Wasser zerteilt
dort tiefatmet die Seele

wo Vögel versteckt im Grünen
lustvoll-lebensbejahende Melodien zwitschern
dort singt auch mein Herz

wo Insekten und Schmetterlinge
in unzählbarer Zahl sich tummeln
dort ist meine Natur eins mit Natur

wo keine giftigen Dämpfe
die Luft zum Atmen rauben
dort füll‘ ich die Flügel der Lunge ganz voll

wo das kleinste Leben
eingewoben ins Große ist
dort werde ich Teil eines ganz Großen

wo im hundertfachen Grün
werden ruhig Körper, Seele und Geist
dort bin ich Teil der Natur

Wo meine Gedanken Worte fanden: Das Bild ist gemacht an einem meiner Lieblingsorte: ein enkeltaugliches Refugium außerhalb des Zivilisatorischen. Alles ist analoge Wirklichkeit. Der Boden fühlt sich gatschig an. Die Fülle an Blättern und Gräsern und Stauden fühlen sich nass an. Die Steine fühlen sich gatschig und nass an. Und gatschig-nasse Steine lassen sich in kindlichem Spiel in den Bach werfen, so dass das Wasser kräftig spritzt. Hier steht die Zeit still in ihrem Wachsen. Der Augenblick ruht im Sein. Die reifen roten Früchte an einem wilden Kirschbaum am Wegrand schmecken besser als jedes Produkt aus dem Supermarkt. Im Sein liegen Augenblick und Gegenwart geborgen. So hätte es wohl mein Dichterphilosoph Heidegger formuliert. Radikale Gegenwärtigkeit im Miterleben der Welt eines Zweijährigen.  Existenzialität ist greifbar-fühlbar.

Im Inntal gibt es sie noch, solche Refugien. Durch das EU-Renaturierungsgesetz würden sie weniger in Gefahr geraten, verloren für immer zu werden. 2024 wird in Österreich täglich eine Fläche von rund 11 Fußballfeldern zubetoniert. Das ist eine Fläche von 11,3 Hektar. Das Regierungsversprechen, den täglichen Flächenfraß auf 2,5 Hektar pro Tag bis 2030 zu beschränken, wird nicht eingehalten. Man dürfe keine Bremse für das Wirtschaftswachstum sein, meinte ÖVP-Finanzminister Magnus Brunner. Der Vorschlag der Europäischen Kommission für die Verordnung über die Wiederherstellung der Natur wird von der ÖVP bis zum heutigen Tag abgelehnt. Die EU-Strategie zur Erhaltung der biologischen Vielfalt bis 2030 wird auch von der Tiroler Landesregierung nicht unterstützt. Ein elementarer Bestandteil zur Umsetzung des „European Green Deals“ wird damit nicht angenommen. Allerdings sind seit dem heutigen Tag zwei Bundesländer – Wien, Kärnten – für das EU-Renaturierungsgesetz. Also könnte die österreichische Umweltministerin im EU-Rat doch eventuell dafür stimmen.

klaus.heidegger, 12.6.2024

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