Fest Maria Heimsuchung

nicht alleine
das Glück teilen
das Glück wird größer
die Seele beginnt zu singen

nicht alleine
das Schwere teilen
das Schwere wird leichter
die Seele wird getröstet

nicht alleine
den Glauben teilen
der Glaube wird größer
der Widerstand wächst

nicht alleine
die Liebe spüren
die Liebe wird größer
der Himmel ist angekommen

nicht alleine
die Erniedrigten werden aufgerichtet
die Hochmütigen entdecken die Demut
die Hungrigen werden gesättigt

Das vergessene Fest

Würde ich die jetzt die Gelegenheit haben, mit einem Fernsehkamerateam durch die mit Menschen brodelnde Stadt zu gehen, um vielen die Frage zu stellen: „Welches Fest wird heute, am 2. Juli, gefeiert?“, so fände ich wohl niemanden, der mir eine Antwort geben könnte. Die meisten würden wahrscheinlich spontan antworten: „Heute abends wird ein Fußballfest der Extraklasse gefeiert, wenn Österreich im EM-Spiel gegen die Türkei als Sieger hervorgeht.“ „Nein, würde ich antworten, heute feiern wir das Fest Maria Heimsuchung.“ Das würde nun wohl niemandem weiterhelfen – es sei denn, ich träfe zufällig ein Mitglied von Legio Mariä oder einer tendenziell katholisch-fundamentalistischen Gemeinschaft. Mariä Empfängnis, Mariä Namen, Mariä Geburt, Hochfest der Gottesmutter Maria, Mariä Verkündigung und Mariä Himmelfahrt sind jedenfalls vertrauter und gerade noch verständlich. Aber Maria Heimsuchung? Und nun beschäftige ich mich als jemand, der gerne als liberaler Linkskatholik punziert wird, mit diesem Festtag. Ja, ich tue es, weil in diesem Fest jede Menge an revolutionärer und gewaltfreier Befreiungskraft steckt – ich schreibe und rede bewusst nicht von „Sprengstoff“, weil solch martialische Sprache nicht dem Charakter des Festtages und seiner Hintergrundgeschichte entspräche.

Das missverstandene Fest

Schon der Titel „Heimsuchung“ führt zunächst in die Irre. Reden wir von „heimsuchen“, so hat es meist eine negative Konnotation. Man wird von einem Schicksal „heimgesucht“. Gängige Synonyme sind belästigen, überfallen oder jemandem etwas Böses antun. All dies ist freilich nicht gemeint. Im Gegenteil. Beim Fest Maria Heimsuchung hat der Begriff eine zutiefst positive Bedeutung, das wohl mit seiner etymologischen Herkunft zu tun hat. Man ist auf der Suche nach einem Heim, einer Beheimatung. Genau dies geschieht in der Geschichte aus dem Lukasevangelium, die die Grundlage des besagten Festes.

Die Begegnung der zwei schwangeren Frauen

Maria macht sich als inzwischen hochschwangere Frau auf den Weg zu ihrer Verwandten Elisabeth. Auch sie ist schwanger. Der Weg ins jüdäische Bergland war sicher kein Spaziergang. Das Leben Marias war mehrfach bedroht. Als Frau, die schwanger war, ohne schon geheiratet zu haben, stand laut strengem Gesetz die Todesstrafe darauf. Sozialhistorisch gesehen ist es also kein niedliches Sonntagsmärchen. Es geht um das, was heute ins Kapitel der Femizide fällt, der Gewalt, die Frauen in patriarchalen Strukturen und Kulturen zu erleiden haben. Die Legende erzählt nun davon, dass bei der Begegnung der beiden Schwangeren das Kind im Schoß der Elisabeth „hüpfte“. Neues Leben und messianische Befreiung werden begreifbar. Johannes der Täufer und Jesus wachsen Maria bleibt dann drei Monate bei Elisabeth. Der feministische Aspekt ist jedenfalls offensichtlich. Zwei vom patriarchalen System Bedrängte erweisen Stärke in Solidarität und werden zu Trägerinnen der Befreiung.

Magnificat als messianisches Befreiungslied

In diesem Kontext legt das Lukasevangelium dann Maria den wohl bekanntesten Hymnus der Evangelien in den Mund: Das Magnificat. Maria beginnt zu singen und zu frohlocken, weil das Rettende begreifbar ist, weil das Erniedrigte und Versklavte aus dem Dreck und Staub gehoben wird, weil göttliches Erbarmen sich ausbreitet, weil Hochmütige ihre Macht verlieren und die Reichen zum Teilen beginnen.

heimgefunden

herausgefordert von ganz neuer Situation
bedroht von todbringenden Bedingungen
Gesetze helfen nicht weiter
Maria suchte ein „Heim“
Solidarität wird gelebt

gefunden hat sie ein „Heim“
liebevoll grüßt sie Elisabeth
zwei Frauen teilen Freude und Leid
Maria findet den Schutz
so findet Göttliches Heimat

Maria kann singen
das Lied von der Befreiung
weil gesuchte Heimat ist ihr geschenkt
weil gefundene Heimat ist in Begegnung
weil ersehnte Heimat wird wahr

klaus.heidegger,
Fest Mariä Heimsuchung
2. Juli 2024

Bildquelle: www.horeb.org

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