Ein Blick in die biblischen Schriften
Es ist der 22. Oktober 2024. Wie soll ich in diesen letzten Tagen der zweiten Runde der Weltsynode meine Gedanken beginnen? Wie kann unsere Reaktion auf das soeben erfolgte römische „No,basta“ zum Diakonat der Frauen und damit auch zum Priester- und Bischofsamt für Frauen sein?
Ich könnte beginnen mit einem Blick in die Hl. Schrift und jene vielzitierte Passage aus dem 1. Korintherbrief nehmen. Dort heißt es: „Eure Frauen sollen in den Gemeinden schweigen; denn es ist ihnen nicht gestattet zu reden, sondern sie sollen sich unterordnen, wie es auch das Gesetz sagt. Wenn sie aber etwas lernen wollen, so sollen sie daheim ihre eigenen Männer fragen, denn es ist für Frauen schändlich, in der Gemeinde zu reden. (1 Kor 14,34f)
Jedes Lesen der biblischen Texte – besonders wenn es schwierige Passagen sind – muss sich die Mühe machen, diese im Licht der Exegese historisch-kritisch und literarkritisch zu begreifen. Nur so wird das Lesen zum Verstehen und vermeidet Missverständnisse. Erstens, so sagt uns die Exegese, ist der zitierte Text aus den Pastoralbriefen. Diese sind sogenannte „unechte“ Paulusbriefe, weil sie erst sekundär unter die Autorität des Paulus gestellt worden sind. Zweitens ist selbst diese restriktive Passage erst später hinzugefügt worden. Drei Kapitel davor heißt es im Korintherbrief beispielsweise, dass Frauen den Auftrag zum prophetischen Reden in den Gottesdiensten haben. Drittens aber können wir gerade in den Paulusbriefen die hervorragende Stellung herauslesen, die Frauen in den ersten christlichen Gemeinden hatten. Paulus nennt immer wieder Frauen, die Diakoninnen und selbst Bischöfinnen waren und in den Gemeinden verkündeten und tauften.
Jüngerinnen Jesu
Es ist der 22. Oktober. Ich schreibe meine Zeilen am Gedenktag der Heiligen Salome von Galiläa. Im Sonntagsevangelium dieser Woche hörten wir von ihren Söhnen Jakobus und Johannes, wie sie Jesus baten, im Himmelreich rechts und links von ihm sitzen zu dürfen. Von Salome lesen wir, dass sie in einer Frauengruppe als Jüngerin Jesus begleitet hatte. Sie stand dann am Kreuz, als Jesus hingerichtet wurde, sie begleitete laut Markusevangelium mit dem messianischen Zeichen der Salbe zwei andere Frauen, als sie am Ostermorgen zum Grab Jesu gingen. Somit zählt Salome mit Maria Magdalena auch als erste Zeugin der Auferstehung. Die Worte aus dem Korintherbrief möchte ich daher ergänzen mit jenen aus dem Markusevangelium: „40Und es waren auch Frauen da, die von ferne zuschauten, unter ihnen Maria Magdalena und Maria, die Mutter Jakobus des Kleinen und des Joses, und Salome, 41 die ihm nachgefolgt waren, als er in Galiläa war, und ihm gedient hatten, und viele andere Frauen, die mit ihm hinauf nach Jerusalem gegangen waren.“
Die Weltsynode in Rom und unsere Enttäuschungen und Hoffnungen
Seit dem Frühjahr 2020 treffen wir uns in der Initiative „Maria Magdalena & Co“ regelmäßig an einem 22. eines Kalendermonats, um für die Gleichstellung von Frauen und Männern in der römisch-katholischen Kirche und für die Weiterentwicklung des Amtes ein Zeichen zu setzen. Wir bitten im Gebet und beim anschließenden symbolisch aussagekräftigen Gang zum Dom, dem Sitz unseres Bischofs, um den göttlichen Geist für die Kirche zu bitten und um die Kirchenleitung nicht aus der Verantwortung zu nehmen, wenn es um Gleichberechtigung in der Kirche geht.
Erst zwei Tage ist es her, dass Papst Franziskus Elena Guerra als Heilige – und damit als Vorbild – für die Kirche auserwählt hat. Die Ordensschwester hat zu Beginn des 20. Jahrhunderts Papst Leo XIII. ermutigt, die Kirche dem Wirken des Hl. Geistes zu überantworten und so zu verändern. Diese Heilige kann auch für unsere Initiative Maria Magdalena & Co als ermutigende Person gesehen werden.
Die Katholische Frauenbewegung Österreichs hat schon die 1. Sitzungsperiode der Weltsynode mit täglichen Gebeten im Oktober 2023 begleitet. Am 2. Oktober 2024 wurde wieder die Gebetsinitiative via Sozialer Medien gestartet. Im Gebet von Regina Illemann – die männlichen Gottesbegriffe habe ich nachträglich gegendert – wird die trinitarische Gegenwärtigkeit angesprochen:
Du LEBENDIGE
Ins Leben hast du uns gerufen,
Kraft und Fähigkeiten hast du uns gegeben.
Wir wollen, um die Kirche aufzubauen und der Welt zu dienen,
alles wirksam werden lassen, was in uns dein Antlitz spiegelt.
Jesus, unser Bruder,
du hast kein Geschlecht gering geachtet
und hast kein Geschlecht bevorzugt.
Lass nicht zu,
dass deine Kirche dies entgegen deinem Beispiel weiter tut.
Erweise dich heute als Lehrmeister deiner Kirche.
Heilige Geistkraft, unsere Mitte,
die Gaben, die du schenkst, sind viel zu kostbar, um sie zu vergraben!
Stärke alle, mit Treue und Geduld, die noch gehindert werden, deinem Ruf zum geistlichen Amt zu folgen.
Führe die zur Einsicht, die sie hindern, und dadurch der Kirche diese Gaben vorenthalten.
Wir blicken nach Rom
Am Montag, dem 21. Oktober 2024, die Schlagzeilen aus dem Vatikan – die für alle von uns, die wir für Gendergerechtigkeit in der römisch-katholischen Kirche eintreten – wie ein Schlag in die Magengrube sind. Die Schlagzeilen lauten: „Papst schließt Weihe von Diakoninnen aus.“ „Papst Franziskus hat der Weihe von Frauen zu Diakoninnen oder Priesterinnen in der römisch-katholischen Kirche eine klare Absage erteilt.“ Die Begründung: … zum jetzigen Zeitpunkt sei die Frage des weiblichen Diakonats noch nicht ausgereift.
Braucht es aber wirklich noch mehr biblische Forschung, noch mehr theologische Vergewisserung, um zu wissen, ob auch Frauen gleichberechtigt mit den Männern in der Ämterfrage werden können? Liegen nicht all die Fakten seit Jahrzehnten schon längst gut fundiert und wissenschaftlich abgesichert auf dem Tisch?
Einerseits wird gesagt, dass dem Papst die Rolle der Frauen in der Kirche ein „sehr wichtiges Anliegen“ sei. Er habe schon frühzeitig das Glaubensdikasterium damit beauftragt. Zugleich wurde das Frauenthema aber aus den Beratungen der Weltsynode ausgelagert und als Aufgabe für eine Sondergruppe definiert.
Natürlich gibt es auch die Hoffnungnszeichen. So sprach sich der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, für das Frauendiakonat aus. Es reiche nicht aus, Frauen auf allen kirchlichen Ebenen in Entscheidungsstrukturen einzubinden. Es brauche auch eine Öffnung für das sakramentale Amt. Bätzing wörtlich: „Für den Kulturraum, aus dem ich komme, wird eine Antwort darüber entscheiden, ob Frauen weiterhin ihre Heimat in der Kirche suchen werden und finden können.“ Von einem anderen Kulturraum sprach der Synodenbischof aus Lateinamerika. Leonardo Steiner meinte: „Viele unserer Frauen sind heute schon Diakoninnen.“ Zwar sei das nicht offiziell, aber es gebe schlicht keine andere Bezeichnung für ihre Rolle, so der Erzbischof von Manaus am Dienstag im Vatikan.
Ist allerdings die zeitgleich mit der Weltsynode erfolgte Weihe von Diakoninnen und Priesterinnen auf einem Schiff im Tiber eine notwendige Provokation? Ist die Forderung nach Weihe und damit der 1:1 Übernahme des Ritus einer Priesterweihe wirklich die Lösung? Könnte nicht, wie es Maria Magdalena & Co vorgibt, die Lösung darin liegen, das Amt weiterzudenken? Meines Erachtens braucht es auch den lutherischen Mut, den Ordo – das Sakrament der Weihe in seiner derzeitigen Form – kritisch zu überprüfen.
Maßstäbe für das Streben nach Gendergerechtigkeit in der Kirche sind die Menschenrechte, die human- und sozialwissenschaftlichen Grundlagen sowie die biblischen Vorgaben und eine Rückbesinnung auf die Anfänge des Christentums. Wie können auf Phoebe blicken. Sie lebte im 1. Jahrhundert in Korinth und wird von Paulus ausdrücklich als Diakonin (diakonas) bezeichnet. Auch Beistand (prostatis) wird sie von Paulus genannt. Weiters Junia wurde längst schon mehr entdeckt – und es war kein Junius. Sie lebte um 50 nach Christus in Rom, wo sie wie eine Apostelin den Glauben erkündete. Sie hat gelehrt und getauft. Auch Priska war eine Mitarbeiterin des Paulus. Priska soll wie Paulus eine Zeltmacherin gewesen sein. Die Theklagestalt zeigt, wie dann im 2. Jahrhundert die Tradition der leitenden Frauen in den christlichen Gemeinden weitergetragen worden ist. Weniger bekannt sind die frühchristlichen prophetischen Frauen, die teils namentlich bekannt sind wie Maximila, Priscilla, Quintilla oder Sophia von Rom. Von Beginn an waren Frauen jedenfalls an der Ausbreitung und Gestaltung des christlichen Glaubens beteiligt. Salome und Elena Guerra, Phoebe und Junia, Thekla und Priska und all die anderen Frauen als Diakoninnen, Prophetinnen und Bischöfinnen. Dieser Blick ermutigt und bekräftigt.
Wir wollen uns bekräftigen!
In einer Kirche will ich leben, in der alle Geschlechter die gleichen Rechte haben, Männer wie Frauen und auch solche, die sich beiden Geschlechtern nicht zuordnen können.
Eine Kirche soll es werden, in der nicht Männer nur werden zu höheren Diensten berufen, sondern in der Frauen nicht weniger dürfen als Männer. Nicht länger werden Frauen von bestimmten Ämtern ausgeschlossen.
Eine Kirche soll es wohl sein, die den Mut aufbringt, das Weihesakrament als solches einer kritischen Prüfung zu unterziehen, wie weit es nicht zu einer grundsätzlichen Spaltung der Kirche in Kleriker und Laien führt, die nicht der Gleichheit aller Gläubigen entspricht.
Für eine Kirche wollen wir kämpfen, in der hierarchisch-klerikale Strukturen überwunden sind.
Eine Kirche soll es sein, die authentisch vorangeht, die sexistischen Strukturen und Verhaltensweisen in unserer Gesellschaft zu überwinden.
Eine Kirche soll es sein, in denen Männer sich nicht schämen müssen, Mann zu sein, weil strukturelle Ungleichbehandlungen überwunden sind.
Eine Kirche soll es sein, in der sexistische Rollenbilder und Stereotype überwunden sind, in der Frauen wie Männer auch stark sein dürfen.
Eine Kirche soll es sein, in der alle keine Angst haben, für ihre Rechte einzutreten, in der wir alle den Mut haben, gegen Ungerechtigkeiten aufzutreten.
Großartig, danke!
Ich sage ja schon seit Jahren, dass in Fragen vom Sexualität und Geschlecht, wozu zweifelsohne die Frauenfrage, die Frage diverser Geschlechter, Fragen der Sexualmoral. u.a. gehören –, die entscheidenden Bruchstellen sind, an denen die Kirche Leute verliert oder gar nie gewinnt (und da meine ich gar nicht die Missbrauchsskandal). Da setzt offenbar auch bei so verehrten Personen wie Papst Franziskus ein Stück Herz und Hirn aus.