Die eine Seite: Islamophobie und antiislamischer Populismus
Die soeben publizierte Rechtsextremismusstudie des Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands – veröffentlicht am 26.11.2024 – bringt auch mit Blick auf die Einstellung der österreichischen Bevölkerung zum Islam erschreckende Ergebnisse zutage. Befragt, ob man Muslime als Nachbarn wolle, antworteten 36 % mit einem Nein. 26 % der Befragten finden weiters, dass Muslimen die Zuwanderung untersagt werden soll. Die giftige islamophobe Rhetorik rechtspopulistischer Politiker geht auf. Auch die FPÖ-Steiermark unter Mario Kunasek fuhr in den letzten Jahren einen Kurs, der den Islam meist mit Terrorismus in Verbindung brachte. Vom großen Wahlsieger bei den Landtagswahlen in der Steiermark stammen Sätze wie jene: „Der muslimische Glaube wird ganz offensichtlich ein immer größerer Faktor in unserer Gesellschaft und gefährdet damit wesentlich die heimische Wertevermittlung. Das im islamischen Religionsunterricht vermittelte, aus unserer Sicht teils fragwürdige Gedankengut ist mit unserer christlich geprägten Wertekultur absolut nicht vereinbar.“ Daraus folgt für den wohl künftigen Landeshauptmann der Steiermark die Forderung nach einer „Nullzuwanderung aus islamischen Ländern“. (Quelle: Website der FPÖ Steiermark) Zu den plakatierten FP-Steiermark Slogans zählte u.a.: „Der Islam ist kein Teil von Österreich. Wir sind ein christlich geprägtes Land und wollen das auch bleiben.“ Die FP-Steiermark bleibt damit ihrer Tradition treu. Schon der Vorgänger von Kunasek als Parteichef hatte die Parole „Lieber Sarrazin statt Muezzin“ ausgegeben und verteidigte das Computer-Spiel „Moschee baba“, wo es darum ging, Moscheen Minarette oder Muezzins mit einem Stoppschild abzuschießen.
Die andere verständnisvolle Seite: Differenzierte Hochachtung für den Koran
Die feinsinnige Ausstellung „Der europäische Koran“ im Weltmuseum Wien in der Neuen Hofburg am Heldenplatz ist wie eine Antithese zu solchen islamfeindlichen Äußerungen. Die Ausstellung gibt einen Einblick in ein europäisches Forschungsprojekt über die Bedeutung des Korans in der Geschichte Europas. In einem ersten Raum wird die besondere Qualität des Heiligen Buchs der Muslime vielfältig dargestellt. Eine Frau singt eine Sure des Korans, dessen Verse stets wundervoll geschrieben werden. Bei diesem Buch geht es um Ästhetik, was sich in kalligraphischen Werken widerspiegelt. Andes als im rechtspopulistischen Narrativ wird in den anderen Räumen sicht- und spürbar, wie sehr der Koran die europäische Geschichte mitgeprägt hat. Er wurde vom Mittelalter an als Lehrbuch verwendet, um Sprachen und Kulturen zu lernen und zu verstehen und diente als Brücke zwischen unterschiedlichen Welten. Zwei Kunstwerke wurden eigens für diese Ausstellung gefertigt. Sie versinnbildlichen die Verbindung von europäischen Leitfiguren mit dem Koran. Das eine Bild zeigt ein Porträt von Goethe, der in einem Koran liest. Der Rahmen des Porträts wird gebildet aus den für islamische Kunst typischen gold-grünen Ornamenten. In gleicher Weise gefertigt gibt es auch ein Porträt von Christina von Schweden. Die Königin von Schweden hat Mitte des 17. Jahrhunderts Koranhandschriften gesammelt. Dass sich Goethe vom Islam inspirieren ließ, war mir bereits vertraut. Das Buch von Karl-Josef Kuschel hatte ich einmal in den Händen. Goethes klassisches Werk „Der west-östliche Diwan“ las ich in kurzen Ausschnitten in meinem Unterricht. Im Zusammenhang mit meiner Masterarbeit zur interreligiösen Arbeit in den Schulen konnte ich noch tiefer eintauchen in die Zusammenhänge von Islam/Koran und biblisch-christlicher Welt.
Mit Goethe gegen den islamfeindlichen Rechtspopulismus
Die Ausstellung im Weltmuseum Wien ist wieder wie eine Inspiration, mich noch tiefer mit dieser Thematik zu beschäftigen – auch als politisch-gedachtem Widerspruch zu den dumm-oberflächlichen rechtspopulistischen islamophoben Rülpser. Jene, die so gerne deutschtümelnd die großen deutschen Dichter bemühen, scheinen diese nie gelesen haben.
Goethe hat den Koran grundsätzlich studiert und ließ sich durch den persischen Dichter Hafis zum Schreiben des Diwan anregen. Goethe vertiefte sich in diese Welt, indem er selbst kalligraphische Übungen machte. Im Gedicht „Pfauenfeder“ bezeichnet er den Koran als „Erdgebilde höchster Schatz“. Er bezog sich dabei freilich nicht auf die repressiv-totalitären Formen des orthodoxen Islam, sondern ließ sich vom Sufismus bzw. der islamisch Mystik inspirieren. Da entdeckte er das, was ihm so wichtig war: Die Allpräsenz Gottes. Die ganze Schöpfung begriff er als durchtränkt von göttlicher Energie. Weltliebe und Weltfrömmigkeit folgten daraus.
Goethe lebte zugleich in einer Zeit, in der die europäische Welt von einem Abwehrkampf gegenüber dem Islam geprägt war. Zu seiner Zeit tobte der 4. Blutige osmanische Krieg. Mohammed wurde als Teufelsgestalt gesehen und der Islam galt als Teufelsreligion. Ein Gedicht aus dem west-östlichem Diwan bringt das Verbindende bei Goethe zum Ausdruck:
„Gottes ist der Orient!
Gottes ist der Okzident!
Nord- und südliches Gelände
Ruht im Frieden seiner Hände.“
Klaus Heidegger
Faktum ist: Mohamed war nicht bloß Prophet sondern auch Politiker und Heerführer, darauf können sich viele seiner Nachfolger berufen. Das tun auch viele Terroristen im Nahen Osten die Israel von der Landkarte streichen wollen. Ja, es gab in Europa Epochen einer guten Kooperation und positiver fortschrittlicher Einflüsse. Aktuell erleben wir eher eine aggressive Phase des Islam.