Mit Gießkanne gegen gewaltfreien Widerstand

Eine schwarze Luxuslimousine kann nicht weiter. Eine junge Frau sitzt mit ihrer orangen Warnweste vor dem Edelporsche auf dem Zebrastreifen. Angeklebt ist die eine Hand. Die leere Superkleberhülle liegt neben ihren Fingern. Neben ihr sind noch drei weitere Aktivistinnen und Aktivisten der Letzten Generation. Es ging wieder sehr rasch. Die Fußgängerampel an einer der meistbefahrenen Straßen Innsbrucks schaltet auf Grün. Die Mitglieder der Letzten Generation entrollen ihre Transparente und stellen sich am Zebrastreifen auf. Die Ampel für die Autofahrenden schaltet auf Grün – doch weiterfahren können sie nicht mehr. Der Verkehr stoppt, diesmal gleich auf beiden Fahrtrichtungen, hier also zusammen acht Fahrspuren. Im Montagmorgenverkehr ergibt dies sofort einen großen Stau. Er wird wohl bald schon bis an die Stadtgrenzen reichen. Der Porschefahrer ist gelassen. Sein Auto ist wohl auch zugleich sein Büro, in dem er arbeiten kann. Eine andere Person springt aber wütend aus dem Auto und will die äußerste Aktivistin wegreißen. Zwei Polizeibeamte schreiten sofort und professionell ein, um die Aktivistin zu schützen. Ich stelle mich hinter die Aktivistin. Rückenschutz wieder. Als Klaus, der verzweifelt ist angesichts der klimatischen Veränderungen. Als Vertreter von katholischen Laienorganisationen in diesem Land. Als Religionslehrer – weil an diesem Montagmorgen an einer Kreuzung in Innsbruck mehr aufgezeigt wird, was rettend ist, als in Hunderten Stunden des Unterrichts. Eine andere Frau hüpft wütend aus ihrem Auto und schreit: Mein Kind wird zu spät in die Schule kommen. Als Lehrer denke ich mir: Es wäre für das Kind wohl die Gelegenheit zu lernen, was momentan wirklich für sein Leben zählt. Dass es noch eine lebenswerte Zukunft für das Kind geben könnte, wenn … Die Mutter könnte ihrem Kind sagen: Schau, das sind Menschen, die sich gewaltfrei für deine Zukunft einsetzen. Es ist gut, dass sie da sind. Während ich über so sinniere, kommt von hinten ein Mann mit einer großen blechernen Gartengießkanne. Ich reagiere zu spät. Er will sie über der Aktivistin ausgießen. Sofort ergreift aber die Polizei die Initiative. Sie nimmt dem Mann die Gießkannen-„Waffe“ und nimmt seine Personalien auf. „Die Polizei, dein Freund und Helfer“ – es stimmt in diesem Fall. Eineinhalb Stunden bleibt der Südring bei der Grasmayer-Kreuzung gesperrt. Die Polizei hat inzwischen Umleitewege eingerichtet. Es ist kalt und ich denke mir dass in dieser Kälte die Schmerzen an den Händen der Angeklebten wohl schon ziemlich unerträglich sein werden. Für sie wünsche ich, dass die Blockade aufgehoben wird. Die mentale Stärke der Angeklebten ist großartig. Die Durchführung der Aktion entspricht einem Musterbeispiel der gewaltfreien Aktion: Gute Vorbereitung und Training der Teilnehmenden, ein Unterstützerkreis im Hintergrund, zu dem ich mich heute wieder zählen darf, Medienarbeit sowie klare Vorgaben.

Klaus Heidegger
(Bilder: kh. und g.d.)

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