Sonnenuntergangsfahrt auf den Patscherkofel

Halb fünf. Spätnachmittags an einem Freitag. Massen von Autos stauen sich im lärmenden Gewühle der Stadt und verpesten die Luft und nehmen die Ruhe. Den Weltklimastreiktag von Fridays for Future in einer Woche braucht es dringend angesichts solcher Situationen. Es ist ermutigend, wenn bald wieder die Letzte Generation Zeichen setzen wird. Die Asphaltflächen haben die Hitze der frühherbstlichen Tage gespeichert. Unser logisches Ziel an diesem Abend lockt mit den Sendemasten: weg von der Stadt, hinauf auf den Berg. Der Patscherkofel mit seinen 2.246 m wacht wie ein Vulkan über dem Häusermeer am Inn. In diesem Jahr bin ich die Strecke Wohnung-Patscherkofel-Wohnung noch gar nicht gefahren. Ich weiß allerdings: vom Start bis zum Gipfel geht es stets meist sehr steil fast 1700 Höhenmeter verteilt auf 22 Kilometer bergauf. Eine „knackige Tour“, so heißt es in einer Beschreibung. Werden wir es bis zum Sonnenuntergang noch schaffen? Zuerst über den Asphalt hinauf nach Igls. So mancher Autofahrer hält auf der Bergstrecke den vorgeschriebenen Zwei-Meter-Abstand nicht ein. Die Atemluft ist angereichert mit Stickoxiden, Kohlendioxid, Ozon, Feinstaub und wohl noch mehr von den Emissionen, die das Klima zerstören. Am Straßenrand in Vill und Igls laden Plakate zur Demo am nächsten Freitag ein. Das Sujet zeigt neben dem Schriftzug „15.9. – weltweiter Klimastreiktag“ ein großes Auge mit einer großen Träne. Nach Igls hinauf nach Patsch lässt sich bald freier atmen und dort beginnt dann auch die Mountainbike-Strecke auf den Innsbrucker Hausberg. Bergwärts sind um diese Zeit nicht einmal mehr E-Bike unterwegs, die uns surrend überholend könnten. Steil. Steil. Steil. Etwas ausschnaufen lässt sich nach der Patscher Alm. Dann wieder steil. Bei einer Kehre auf der Höhe der Hochmahdalm schiebe ich ein kleines Stück, um das Kreuz zu entlasten. Erst ab dem Patscherkofel Schutzhaus und der Bergstation windet sich der Weg in sanften Kurven zum Gipfelplateau hinauf. Immer habe ich die Sonne im Blick. Schon liegt sie flach über dem Inntal und färbt die Berge rundherum kräftig rot. Der Morgenkogel auf der gegenüberliegenden Seite leuchtet im Abendrot. Die Bergketten sind wie Schattengebilde in unterschiedlichen Grautönen. Knapp vor Sonnenuntergang – vom Tivoli weg waren es Zweidreiviertelstunden – komme ich oben an. Mein Sohn hatte mehr Zeit, das beeindruckende Naturschauspiel zu bewundern. „Ich liebe Sonnenuntergänge“, sagte der Kleine Prinz bei Exupery, und als der Prinz auf seinem Stern saß, konnte er jeden Tag viele Sonnenuntergänge beobachten. Heute bin ich dankbar für jene Strahlen, die Licht, Wärme und Hoffnung in mein Leben bringen und freue mich, wenn sie morgen wieder scheinen werden.

sonnenstrahlig

wenn in einem Sonnenstrahl
Tränen regenbogenbunt werden
wird Trost spürbar

wenn durch einen Sonnenstrahl
ins Dunkle ein Licht scheint
wird Hoffnung lebendig

wenn mit einem Sonnenstrahl
über Zäune gesprungen wird
wird Weite erfahrbar

klaus.heidegger, 8.9.2023
(Sonnenuntergang am Patscherkofel am Fest Mariä Geburt)

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