Solidarität mit den Menschen in Palästina, im Gazastreifen und dem Staat Israel

Das Entsetzen ist groß und es ist berechtigt. Die Terroranschläge der Hamas sind entsetzlich, abscheulich, widerwärtig und vor allem unmenschlich. Für solche Taten gibt es keine Rechtfertigung und nur Verurteilung. Solche Anschläge treiben die Spirale von Gewalt und Gegengewalt nur weiter in die Höhe und schaden dem eigenen Volk.

Heute wird gesagt und geschrieben, dass diese massiven Terroranschläge der Hamas nicht vorauszusehen gewesen wären. Das ist wohl nur bedingt richtig. In der Zeit der Intifada 2 im Sommer 1991 war ich an der Bir Zeit University in Ramallah in der Westbank und es gab auch einen Studienbesuch im Gazastreifen. Mehr als 30 Jahre ist es her. In den letzten drei Jahrzehnten hat sich die Lage in der Westbank und im Gazastreifen nur verschlimmert. Immer neue Siedlungen wurden gebaut, palästinensisches Land okkupiert. Damals gab es noch nicht die sogenannte Sicherheitsmauer, die auf palästinensischem Land errichtet wurde, um beide Völker voneinander zu trennen. Damals aber schon glich Gaza – der schmale Landstreifen mit einer Meeresküste auf der einen Seite und den Hochsicherheitszäunen auf der anderen Seite – einem riesigen Flüchtlingslager mit weit mehr als einer Million Menschen. Zum Glück gab es Einrichtungen der Vereinten Nationen wie das UNHCR und zum Glück wurden Schulen und Krankenhäuser von europäischen Ländern gebaut und erhalten.

Es war also vorherzusehen, dass das Elend, die jahrzehntelange Unterdrückung, die fortschreitende Enteignung, die Hoffnungslosigkeit und die damit verbundene Radikalisierung wie ein Sprengstoffgemisch sich entladen wird. Es war vorherzusehen, dass noch so viel Waffentechnologie keinen Frieden bringen wird. Mögliche Lösungen lagen seit drei Jahrzehnten auf dem Tisch und wurden von den israelischen Regierungen von ebendiesem Tisch gewischt. Eine Zweistaatenregelung wäre ein Ausweg gewesen. Anstatt sich aber engagiert auf solche Gespräche mit der palästinensischen Seite und unter Vermittlung der Vereinten Nationen oder der Arabischen Liga auf weitere Gespräche einzulassen und die Forderungen der israelischen Friedensbewegung wirklich ernst zu nehmen, rückte die israelische Regierung immer weiter nach rechts. Die radikalen Siedlerverbände haben nun ihre Abgeordneten in der Knesseth und stellen selbst Regierungsmitglieder.

Es war also vorherzusehen, dass mit noch so massiver Gewalt sich ein Zustand massiver Ungerechtigkeit nicht sedieren lässt.

Und heute? Nach den Terroranschlägen? Aus Solidarität mit dem Staat Israel erstrahlen zentrale Gebäude in westlichen Metropolen in Blau-Weiß. Die Farben Palästinas kommen nicht vor. Die Rhetorik der hochrangigen Militärs ist furchtbar, weil sie Angst macht. Rache scheint die Antwort zu sein und Raketen schlagen in die Mitte der Wohngebiete in Gaza ein. Eine Bodenoffensive ist geplant – nicht aber geplant sind Gespräche über Lösungsmöglichkeiten. Militärs reden davon, dass die feindlichen Kräfte „neutralisiert“ werden müssen – das heißt nichts anderes: Wir töten sie, wo wir nur können. „An eye for an eye makes the whole world blind”, das ist die bleibende Botschaft des Friedensnobelpreisträgers Martin Luther King. Der Blick in den Nahen Osten – und er ist uns wirklich sehr nahe – zeigt, dass diese fundamentale Wahrheit auch in diesen schweren Stunden ihre Gültigkeit hat. Rational denkende Kenner der Lage im Nahen Osten, wie der ORF-Journalist Karim El-Gahawry, sprechen nach diesen massiven Terrorangriffen der Hamas von einer Zäsur, einer neuen Situation. Der Bestehende Status quo sei für die Palästinenser nie nachhaltig gewesen. El-Gawahry spricht aus, was Sache ist: Besatzung, ständige Landnahme und Übergriffe durch die Siedler und 2,7 Millionen Menschen, die vom Rest der Welt abgeschnitten werden. Die neue Situation, so der ORF-Journalist, verlange nach Politik und militärische Lösungen würden nichts bringen. Mit Blick auf den Jom-Kippurkrieg vor 50 Jahren gilt die bleibende Botschaft: Verhandlungen und nicht Krieg, von dem Netanjahu spricht, führen zu Lösungen. Das Wort im Augenblick lautet Shalom – Salam. Der Name Gottes ist Frieden und Versöhnung und nicht Krieg und Gewalt.

Klaus Heidegger, 9. 10. 2023
(Fotocredit: Banksyblog, Separation Wall bei Ramallah)

Kommentare

  1. Lieber Klaus,

    vielen Dank! Sehe die Lage genauso wie du. Ich war 1999 mit PaxInt. in Gaza – auf einer factfinding mission.
    Soll ich deinen Beitrag der pal. Botschaft bekannt machen? Von dort bekomme ich vereinzelt Mails.

    LG Meinrad

  2. Danke für diese wichtige Stimme gegen den allgemeinen Tenor der nach Rache und Vergeltung ruft. Ja, es war absehbar, dass mit der ständigen Verschlimmerung der Lage in Gaza, dem größten Freiluftgefängnis der Welt, ein Funke genügt um das Pulverfass zur Explosion zu bringen. Die internationale Gemeinschaft hat jahrelang zugeschaut, wie die Hoffnung auf eine friedliche Lösung zunichte gemacht wird und die Menschen den Radikalen der Hamas in die Arme getrieben werden, die ähnlich 9/11 über Leichenberge gehen. Was tut Österreich? Es stellt die EZA Zahlungen ein, die vornehmlich Projekten für palästinensische Frauen und Kinder zu Gute gekommen sind. Wie verkehrt ist das denn!?

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