Wenn Worte wollen Gewalt: blaugewandete Gewaltrhetorik

„… eine doppelte Wählerwatschn, eine links und eine rechts“, so verspricht es der FPÖ-Chef Herbert Kickl bei seiner Rede zum 1. Mai und die Masse grölt, so als wäre es cool, Watschn zu verteilen, so als würde ein Abwatschn zum normalen politischen Stil gehören in einer Welt, die voll ist von Gewalt. Die gewaltdurchtränkte Metapher von der „gesunden Watschn“ hat der vermeintlich starke Mann, der „Volkskanzler“ werden will, schon öfters benützt.

„… ordentlich ausputzen, bis in die letzten Reihen der Republik….“, so verspricht er es weiter, gerade so, als seien jene, die er bekämpft, Ungeziefer und Unrat. Herbert Kickl verwendet populistische Narrative, die an die schlimmste Zeit unserer Geschichte erinnern. „Ausputzen“ klingt schrecklich ähnlich wie ausmerzen, lässt den rechtspopulistischen Lieblingsbegriff „Remigration“ aufleben und führt uns zur Frage, wer unter einem Volkskanzler Kickl Angst haben müsste, weggeputzt zu werden.

Mit seiner Sprache weckt der Chef der laut Umfragen aktuell stimmenstärksten Partei Österreichs (29 Prozent laut Market-Umfrage Ende April 2024) Emotionen: Die Angst vor „den elitären Eliten“, die Angst vor „den Ausländern“. Die sollen wie in einem Krieg bekämpft werden. Die militärische Sprache ist zum Normalfall geworden: Die FPÖ spricht von „Notwehr“ – wie in einem Kriegsfall. Im EU-Wahlkampf wird einmal mehr von „Festung Europa“ gesprochen. Großflächtig wird die EU zum Feind erklärt, indem sie auf den FP-EU-Wahlkampfplakaten mit „Wahnsinn“ geframt wird. Persönliche Untergriffe, Beleidigungen und abwertende Bezeichnungen für politische Gegner gehören zur FP-Alltagssprache. SPÖ-Parteichef Andreas Babler ist für Kickl ein „faules, ungenießbares marxistisches Früchtchen“ und „Bussibär der linken Schickeria“ ein. Die Sozialdemokraten seien „Systemlinge“. Den „roten und schwarzen Polit-Maden“ prophezeit Kickl ein schweres Leben. Umweltministerin Leonore Gewessler wird als „Öko-Hexe“ gebrandmarkt. Wer anders denkt, hat laut Kickl einen „Dachschaden“. In jedem Wahlkampf verspricht die FPÖ den anderen einen „Denkzettel“ zu verpassen und sie „abzustrafen“. Der ehemalige Bürgermeister von Innsbruck, Georg Willi, wurde bei den Gemeinderatswahlen auf Großplakaten zum „Problem“ gemacht, das beseitigt gehört. In jeder seiner Reden schafft Kickl den Graben zwischen einem konstruierten „Wir“ und den „Andersdenkenden“, zwischen den vermeintlich Guten und den Bösen. Damit spaltet er die Gesellschaft. Die zentralen demokratischen Grundpfeiler der Demokratie, beginnend mit dem Bundespräsidenten, den er als „Mumie in der Hofburg“ und „Schlaftablette“ titulierte, über die parlamentarischen Einrichtungen bis hin zu den öffentlich-rechtlichen Medien werden permanent schlecht geredet. Die Liste der abwertenden giftigen Bemerkungen von Herbert Kickl ist lang und sorgt in Bierzelten unter seinesgleichen für Schenkelklopfen und bierseliges Gelächter. Gewaltfantasien gehören zu den Stehsätzen in Kicklreden, wie unmittelbar vor den letzten Nationalratswahlen, wo der FP-Chef mit den Worten aufhetzte: „Liebe Freunde, sie wollen uns zermürben, sie wollen uns zerstören. Und unsere Antwort kann nur sein, dass wir uns mobilisieren, dass wir kampfeslustig sind bis zum letzten Tag und dass wir ihnen einen Schlag aufs Hosentürl versetzen am kommenden Sonntag.“

Die Sprache und Wortwahl von Kickl ist bewusst gewählt und erinnert an die rechtspopulistische Gewaltsprache aus anderen Ländern, etwa wenn der AfD-Chef von einer „wohltemperierten Grausamkeit“ mit Blick auf eine Abschiebepraxis spricht. Zuerst sind es Worte, die verletzen, mit denen ein Gegner nieder gemacht wird oder mit denen gegen eine Menschengruppe gehetzt wird, dann können aber auch gewalttätige Übergriffe folgen, wie jüngste Ergeignisse in Deutschland zeige.

Solche Gewaltsprache der Freiheitlichen widerspricht diametral den kulturellen Werten eines gewaltfreien Dialogs, der Achtung von Menschenrechten und der Solidarität mit den Schwächsten der Gesellschaft. Kirchliche Organisationen warnen zurecht vor einer „Verrohung der politischen Sprache und Kultur“. Ich bin dankbar für Politikerinnen und Politiker, die sich von der FPÖ abgrenzen und keine Bündnisse mit ihr eingehen. Die FPÖ ist eine Gefahr für die Demokratie und den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft.

Klaus Heidegger, 6. Mai 2024

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