NEIN ZU JEDER KRIEGSUNTERSTÜTZUNG! – JA ZU NICHTMILITÄRISCHER DIPLOMATIE!
NEIN ZU AUFRÜSTUNG! – JA ZU ZIVILEN KONFLIKTLÖSUNGSINSTRUMENTEN!
Verschweigendes Wegschauen?
Der Vorwurf des Antisemitismus, des Antijudaismus und Antiisraelismus wiegt in unserem Land besonders schwer. Wer gegen den Kriegskurs in Gaza ist, wer die jahrzehntelange koloniale Siedlungspolitik im Westjordanland oder die genozidalen Pläne der ultranationalistischen Parteien in Israel kritisiert, steht hierzulande gleich im Verdacht, antijüdisch oder antisemitisch zu sein. Der 14. Mai markiert den Geburtstag des israelischen Staates. Der 15. Mai wiederum die Nakba. Diese historischen Daten sind seit 1948 eine bleibende Herausforderung geblieben und verlangen nach einer Lösung. Wie können Juden und Jüdinnen einerseits und Palästinenserinnen und Palästinenserinnen andererseits in einem Land gemeinsam und friedlich leben?
Friedensbewegte Menschen erfahren auch mit Blick auf das Kriegsgeschehen in der Ukraine einen analogen Vorwurf. Wer gegen die militärischen Abwehrversuche ist, wird sofort als „Putinversteher“ diffamiert und als unsolidarisch mit dem ukrainischen Volk bezeichnet.
Der Appell des Papstes
Am 11. Mai 2024 traf sich Papst Franziskus mit 30 Nobelpreisträgerinnen und Nobelpreisträgern im Vatikan. Seine Worte geben eine klare Richtung vor: „Auf einem Planeten, der in Flammen steht, habt ihr euch versammelt, um euer Nein zum Krieg und euer Ja zum Frieden erneut zu betonen. … Der Krieg ist ein Betrug. Der Krieg ist immer eine Niederlage. Und die Idee einer internationalen Sicherheit, die auf Abschreckung beruht, ist ein weiterer Betrug.“
Beim Treffen im Vatikan hielt die die jemenitische Friedensnobelpreisträgerin Tawakkol Karman eine Rede. Israel betreibe „einen Genozid und eine ethnische Säuberung gegen das palästinensische Volk in Gaza“. Weiters sagte sie, dass die derzeitigen Studentenproteste in Rom, in den USA und anderen Ländern gegen den Krieg in Gaza wichtig seien. Es gehe darum, die USA auf die „richtige Seite der Geschichte“ zu bringen und zu verhindern, dass Länder Waffen liefern an „Regime und Besatzungsmächte, die Frauen und Kinder töten.“ Ausdrücklich verglich Karman an dieser Stelle das Vorgehen Israels in Gaza mit den Angriffen der russischen Armee in der Ukraine. Sie sagte: „Warum werden täglich palästinensische Frauen und Kinder in Gaza als Folge der israelischen Besatzung getötet? Warum werden Frauen und Kinder in der Ukraine als Folge der russischen Besatzung getötet?“
Was geschieht?
Im Nahen Osten findet etwas statt, das als „Völkermord“ bezeichnet wird. Südafrika und Ägypten klagen Israel diesbezüglich beim Internationalen Gerichtshof an. Laut völkerrechtlicher Definition bedeutet „Völkermord“ eine bewusst geplante und durchgeführte Aktion gegenüber einer bestimmten Bevölkerungsgruppe mit dem Ziel ihrer Eliminierung bzw. Beseitigung aus einem bestimmten Gebiet.
Das Vorgehen und der Terror des militanten Teils der Hamas sind abscheulich und widerwärtig und sind unzweifelhaft abzulehnen. Nichts rechtfertigt das Töten von unschuldigen Menschen, den Terror gegenüber der Zivilbevölkerung und die Geiselnahme. Wer sich dabei noch auf religiöse Motive bezieht, verrät die Grundbotschaft der heiligen Schriften mit ihrem Tötungsverbot.
Der Vernichtungskrieg der israelischen Regierung und ihrer Streitkräfte im Gaza widerspricht völkerrechtlichen Grundprinzipien. Die Befreiung der Geiseln wird nicht wahrscheinlicher, sondern erschwert und verhindert. Die Städte und Dörfer im Gazastreifen werden komplett zerstört, Tausende Menschen werden getötet, verletzt, traumatisiert und leben als Flüchtlinge in Elend und Hunger. Laut palästinensischen Angaben wurden 13.000 Kinder und Jugendliche getötet. Das sind keine militärischen Ziele. Eine friedliche Lösung auf dem Weg von Verhandlungen und Diplomatie wird mit jedem Kriegstag noch schwieriger.
All dies geschieht im Kontext einer jahrzehntelangen kolonialen Siedlungspolitik des Staates Israel. Sieben Millionen Menschen aus Palästina leben irgendwo in der Welt als Vertriebene in der Diaspora. Ein Großteil der 1,7 Millionen Menschen im Gazastreifen haben ebenfalls einen Flüchtlingshintergrund. Die Westbank wurde in den letzten Jahren systematisch mit Siedlungen zersetzt. Palästinensische Familien werden aus Häusern und Wohnungen in Ostjerusalem verdrängt, Land wird von israelischen Siedlern besetzt, Olivenhaine werden zerstört und Verkehrswege werden blockiert. Abertausende Palästinenserinnen und Palästinenser sitzen in Gefängnissen, darunter Kinder und Jugendliche, die teils in Einzelhaft gehalten werden. Hamas und andere terroristisch geprägte palästinensische Organisationen sind Folge des enormen jahrzehntelangen Leidens in der palästinensischen Bevölkerung.
Wo liegen unsere Antworten?
Wir reagieren wir als einzelne sowie in unseren Organisationen?
Manche schauen weg und denken sich: Da kenne ich mich nicht aus. Doch bei Genozid darf es kein Wegschauen mehr geben.
Andere schweigen, weil man Angst hat, als antisemitisch oder antijüdisch bzw. judenfeindlich abgestempelt zu werden. Seit dem Holocaust ist solcher Vorwurf oder schon jeder Verdacht in diese Richtung besonders schlimm. Für Netanjahu und seine Unterstützer ist jede Kritik an der Kriegsführung und kolonialer Siedlungspolitik des israelischen Staates „antisemitisch“. Zuletzt wurde selbst der jüdische Philosoph Omri Boehm ins antisemitische Eck gestellt, weil er unter anderem von einer Apartheid-Politik Israels sprach.
Wieder andere wiederholen die Antworten, die die Mächtigen vorgeben. Dazu zählt die „Zwei-Staaten-Lösung“.
Es gibt aber auch jene friedensbewegten Kräfte, die Auswege aus der Spirale von Gewalt und Gegengewalt vorgeben. Das Konzept einer „Ein-Staaten-Lösung“ ist eine Alternative. Sie bedeutet jedenfalls das Anerkennungsrecht des Staates Israel, zugleich aber auch eine Lösung, die der palästinensischen Seite in einem föderalen Staatensystem die gleichen Rechte zugesteht. Zunächst aber braucht es, um eine Diskussion in diese Richtung fortzuführen: Sofortige Waffenruhe! Verhandlungen und nicht noch mehr Waffen! Es gäbe die Kanäle, mit denen Israelis mit palästinensischen Führungseliten in- und außerhalb Israels reden könnten. Es gäbe die Wege der Diplomatie, die erfolgversprechend sein könnten, wie zuletzt bei den Abraham Accords Verträgen sichtbar geworden ist.
(Bild: Banksy-Kunst in Gaza, eine Kätzchen gemalt auf eine vom Kriegsgeschehen zerstörte Hauswand)