Das Dreifaltigkeitsfest in Prutz
Würde ich heute gefragt werden, was mein christliches Lieblingsfest ist, so wäre meine Antwort: Das Dreifaltigkeitsfest. An jedem Sonntag nach Pfingsten wird es gefeiert. Fast unscheinbar. Unbekannt wohl den meisten. An diesem Fest gibt es keine Geschenke und keinen zusätzlichen Feiertag. So wichtig kann der Dreifaltigkeitssonntag also doch nicht sein, mag man sich fragen. Für mich allerdings ist der Sonntag Trinitatis wie eine Zusammenfassung der genannten drei christlichen Hauptfeste.
An einem solchen Sonntag durfte ich in meiner Ursprungsheimatkirche in Prutz ein Predigtgespräch mit dem Vorsitzenden des Pfarrgemeinderates und der Gemeinde während des Gottesdienstes führen.
Die Kirche in Prutz ist für mich einer der wichtigsten Erinnerungsorte für meine Kindheit geblieben. Noch in vorkonziliarer Zeit war ich hier einer der eifrigsten Ministranten und liturgische Antworten hatte ich auf Latein auswendig gelernt, bevor ich selbst lesen und schreiben konnte. „Ad deum, qui laetificat juventem meam“ hieß eine der Antworten beim Stufengebet am Beginn des Gottesdienstes. Verstanden hatte ich damals nichts von den Worten. Am liebsten gingen wir Halbwüchsige in den 1000 Jahre alten gut 50 Meter hohen Turm, um mit den dicken Hanfseilen die wunderschön klingenden Glocken zu läuten. Ein elektrisches Getriebe gab es damals ja noch nicht. Aber zurück zum Dreifaltigkeitssonntag 2024.
Die Dreifaltigkeit: kein „schwieriges Geheimnis“, sondern Erfahrung
Gleich zu Beginn des Predigtdialogs werde ich gefragt, ob ich dieses „schwierige Geheimnis“ der Dreifaltigkeit erklären könne. Ich widerspreche dem doppelten vorherrschenden Narrativ vom „Geheimnis“ verbunden mit „schwierig“, weil es sofort suggeriert: Dreifaltigkeit ließe sich nur schwer verstehen und kaum begreifen. Dreifaltigkeit könne man nur glauben und nicht mit dem Verstand erfassen. Mein Einspruch aber lautet: Es ist eher das Gegenteil der Fall: Dreifaltigkeit ist als göttlich-menschlich-irdische Grundkonstante wie ein sichtbarer goldener Faden, der Leben gelingen lässt, ist als solche Erfahrung in unseren Alltagen präsent, ist sichtbar, spürbar, erlebbar.
Ich beginne mit einem kurzen und spontanen Dialog mit den Ministrantinnen: „Was ist euch am wichtigsten im Leben?“ So meine Frage. „Die Familie“, antwortet eine Ministrantin. „Warum erfährst du Familie als so wichtig?“, frage ich weiter. „Weil wir da alle zusammen sind und zusammenhalten …“, die genauso schnelle Antwort. Besser könnte man Dreifaltigkeit als Grunderfahrung gar nicht auf den Punkt bringen. Unterschiedliche Personen, Eltern, Kinder, vielleicht noch Großeltern, sie bilden zusammen eine Einheit in der Vielfältigkeit. Aus solchen Beziehungsstrukturen erwächst Solidarität, Mitgefühl. Der lateinische Begriff „trinitas“ drückt noch besser aus, um was es geht. Etymologisch steckt hier „tres“, die Zahl 3, drinnen und zugleich „unitas“ für Einheit. Besser also wäre es, wir würden – wie auch beispielsweise im Englisch mit „trinity“ – von einer „Dreieinheit“ sprechen.
Ich erwähne auch das Sängerquartett, das dem Gottesdienst einen feierlichen Rahmen gibt. Vier Männer, vier Personen, die im Zusammensingen zu einem Chor werden, vier Stimmen und doch ein Gesang, weil sie aufeinander hören und einander ansehen. Ich kommentiere es so: „Wenn wir nach dem Gottesdienst hinausgehen, werden wir vielleicht sagen: Wir haben einen wundervollen Chor gehört. Nicht aber wird es heißen: Wir haben vier Männer gehört.“ Von solchen Grunderfahrungen der Einheit kann ich ausgehen, um auf das Wesen der Dreifaltigkeit einzugehen. Im Jahr des Immanuel Kant gilt einmal mehr zu sagen: Der Glaube an die Trinität lässt sich mit Vernunft und Verstand begreifen, ja lässt sich sogar empirisch nachweisen.
Gott ist Beziehung der Liebe und Barmherzigkeit
Wenn Gott Liebe ist, dann kann Gott nicht ein Punkt sein, sondern ist in sich Beziehung. Daher auch das Dreieck als göttliches Zeichen, die Verbindung von drei Punkten, wobei Gott immer in der Fläche zwischen diesen Geraden des Dreiecks zu finden ist. Dieses Dreieck wird auch definiert durch die Verbindung von Vertikale und Horizontale, wobei die stabile Basis die Gerade in der Horizontale ist.
Wenn Gott Barmherzigkeit ist, dann ist es ein Geschehen. Wenn Gott Frieden ist, dann hat es mit einem Einklang zwischen Kräften zu tun. Gott ist in sich Dynamik, die auf Harmonie und Einheit aus ist. Göttliches ist symbolisch, was wörtlich übersetzt „zusammenfallend“ heißt. Die Antithese zu Gott ist das Diabolische, das Trennende, der Unfrieden, die Unbarmherzigkeit, das Narzisstische, der Egoismus als Fixierung auf das Ich. Gott ist Kommunikation und Dialog, Aufeinanderzugehen und Sich-Versöhnen. In den 99 Namen Gottes, die zum Glaubensinhalt des Islam zählen, wird dieser dynamische, sich mitteilende und erfahrbare Gott in Fülle beschrieben. Fundamentalistisch gesinnte Muslime, die Dreifaltigkeit als polytheistisch klassifizieren, antworte ich gerne: Der Koran sieht Allah sogar als 99-faltig.
Der Glaube an die Dreifaltigkeit Gottes war schon in der frühesten Kirche ausformuliert. So wurde die wesensmäßige Einheit von Gott, Sohn und Heiliger Geist Kern des Glaubensbekenntnisses aller christlichen Kirchen. Die Zahl Drei hat eine symbolische Bedeutung für „Ganzheit“ und „Fülle“. Zugleich bedeutet sie Offenheit. Es ist die überraschende Offenheit, so wie bei den Emmausjüngern in den Auferstehungsberichten beim Evangelisten Lukas der Fremde hinzutrat, in dem der Auferstandene sichtbar wurde.
Trinität ist nicht Polytheismus
Die Lehre vom dreieinigen Gott besagt, dass wir den einen Gott nicht als starre Einheit verstehen dürfen, sondern als Fülle des Lebens und der Liebe. Gott ist zwar in sich Einheit, aber zugleich auch ein innerer Dialog, ein innerer Austausch zwischen Vater, Sohn und Geist. Die Trinität ist kein Widerspruch zum Monotheismus und daher auch kein polytheistisches Modell, weil Gott in sich Einheit darstellt, ein Gott eben in drei Personen. In diesem Sinn stellt der christliche Trinitätsglaube die monotheistische Position nicht infrage. Dies ist auch die Antwort auf den Polytheismusvorwurf, wie er von fundamentalistisch-islamischer Seite vorgebracht wird. Auch der Islam kennt das Hinaustreten von Gott/Allah, wie dies vor allem in der Stellung des Koran als Wort Gottes deutlich wird. Gott veräußert sich als Wort Gottes im Heiligen Koran so wie sich aus christlicher Sicht Gott in der Person von Jesus Christus oder im Heiligen Geist veräußern kann. Natürlich ist Gott in seinem trinitarischen Wesen immer größer als das, was wir erfassen können. Wie ich selbst die trinitarische Seinswirklichkeit wahrnehme, fasse ich noch in einem lyrischen Text zusammen.
Dreifaltig-dreieine Gottheit Du
Du-Gott*
Du bist kein Punkt
Dreieinheit bist Du
weil liebende Beziehung bist Du
Du-Gott*
Du bist nicht Singularität
Pluralität bist Du
weil regenbogenbunt bist Du
Du-Gott*
Du bist nicht Spaltungen
Brücken bist Du
weil Versöhnung bist Du
Du-Gott*
Du bist nicht Einfalt
Vielfalt bist Du
weil Schönheit bist Du
Du-Gott*
Du bist nicht Berechnung
Geschenk bist Du
weil unbedingte Liebe bist Du
Du-Gott*
Du bist nicht Theorie
erfahrbar bist Du
weil konkrete Gegenwärtigkeit bist Du
Du-Gott*
Du bist nicht weit weg
Nähe bist Du
weil leiblich bist Du
Du-Gott*
Du bist nicht einengend
Freiheit bist Du
weil Grenzen sprengend bist Du
Du-Gott*
Du bist nicht abgehoben
hinuntergekommen bist Du
weil Erde und Himmel verbindend bist Du
Du-Gott*
Du bist manchmal so fern
Sehnsucht bist Du
weil Du bist das Leben in Ganzheit und Fülle
Klaus Heidegger