Am Festtag des Heiligen Christophorus

Volkskirchliche Präsenz

Wenn ich mit meinem Rad unterwegs bin, dann kann ich bei vielen Kirchen und Kapellen nicht einfach vorbeifahren. Da sucht meine Seele etwas Ruhe. In Südtirol sind die Türen der älteren Kirchen manchmal gesperrt, doch eine Gestalt bleibt meist nicht verborgen. Sie ist unübersehbar auf den Außenwänden. Ich kann zu ihr im doppelten Sinne aufschauen. Christophorus. Christusträger. Nothelfer. Riese.

Legendarische Verdichtung des Realen

Christophorus ist zwar kein Heiliger, über den ein spezifisches vitum curriculum geschrieben werden könnte, und dennoch ist er real-biographisch begreifbar in Abertausenden Menschen bis heute. Christophorus als Gestalt, die ausgestattet mit übernatürlich-natürlichen Kräften ihre Gegner nicht tötet, sondern vom Glauben an Christus überzeugt; die nicht dem teuflischen Fürsten Dienst erweist, sondern dessen Verderblichkeit erkennt; die nicht nur viele große Worte macht, sondern ein Tatmensch ist; die helfen möchte, dass niemand in den reißenden Wassern zu Tode kommt.

Christophorus ist kein Deadpool und kein Wolverine in Latexkostüm und mit tödlichen Waffen ausgestattet. Mit seinem mächtigen Stock wird keine brachiale Gewalt assoziiert, um das Schwache zu retten und gegen die Bedrohung zu kämpfen.

Die ikonographische Darstellung der legendarischen Gestalt ist eindeutig. Ein hünengroßer bärtiger Mann mit äußerst kräftiger Statur trägt auf seinen Schultern ein Kind über einen reißenden Fluss. In der einen Hand stützt er sich auf einen Stab, der oftmals die Dimension eines Baumstamms haben kann. Meist schmiegt das Kind liebevoll seinen Arm um den Kopf des Riesen. Mit seinem Heiligenschein und oftmals der segnenden Geste der rechten Hand ist es als Jesuskind definiert.

Ein Heiliger des Volkes

Die Christophorus-Verehrung hat auch einen ermutigenden hierarchiekritischen Aspekt. Das kirchliche Lehramt wollte den Kult des Christophorus verbieten. Regionale Synoden entschieden, dass er nicht mehr verehrt werden dürfe, weil er ja kein richtiger Heiliger sei. So wurde er vor 60 Jahren aus dem offiziellen Heiligenkalender gestrichen. Doch die Christophorus-Verehrung verschwand nicht. Die vatikanische Logik setzte sich nicht durch und nahm schließlich Christophorus wieder ins Martyrologium Romanum auf.

Christophorus in Zeiten der Klimakrise

Mit Blick auf die Zerstörungsrealitäten in unserer Welt taugt der Name Christophorus nicht für „Autosegnungen“, wie sie noch vor kurzem rund um diesen Tag stattfanden. Eine Gestalt, die Christus trägt, trägt nicht jene Kräfte, die zur Zerstörung des Planeten beitragen. Hubschrauber, die unter der Bezeichnung Christophorus Verletzte bergen, passen besser zu diesem Volksheiligen.

Christusträgerinnen und Christusträger

Wir alle kommen als Menschen immer wieder in die Nothelfer-Rolle des Christophorus, wenn wir psychische oder materielle Nöte von anderen Menschen erkennen und nicht tatenlos zusehen. Manchmal sind wir aber auch Menschen, die Hilfe brauchen, um über reißende Wasser getragen zu werden und in der Flut von Tränen und Verzweiflung nicht unterzugehen.

Christustragend

wer offen ist für Nöte
wird Christus selbst entdecken

wer Menschen hilft in Nöten
trägt Christus selbst auf Schultern

wer sieht die Tränen der Enttäuschten
und findet Worte voll von Trost

wer hört die Rufe der Bedrängten
und bleibt nicht länger still

wer trotzt den Fluten der Zerstörung
und wagt den Schritt ans andere Ufer

wer wachsam lebt im Jetzt  
spürt Christus auf den Schultern

Klaus Heidegger, Christophorustag, 24. Juli 2024

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