Pinzgauer Grasberge: die Hundstal-Runde zum Straßberghaus (2117 m), hinunter zum Zeller See und zurück am Tauern-Radweg nach Maria Alm

Hundstal-Runde

Unser „Quartier“ ist bei einem der alten Bauernhöfe etwas oberhalb vom Urslaubach. Die Straße nach Dienten führt dort durch das Urslautal. Urslau erinnert an ursus, erinnert an Bär, erinnert daran, dass in dieser Gegend noch bis vor kurzem Bären ihren Lebensraum hatten, erinnert an die aktuellen Diskussionen über die Wiederansiedlung von Raubtieren. Unser hochzeitseinladungsbedingtes Domizil ist umgeben von sanften Wiesen, uralten Bäumen und fachkundig-liebevoll gestalteten Kräuterbeeten. Frühmorgens grasen rundum scheue Rehe, Esel haben ihr Revier oberhalb und schnatternd sucht eine Entengemeinschaft nach Nahrung. Der Blick geht nördlich auf Maria Alm und darüber die Südwände der Gipfel des Steinernen Meeres. Obwohl Maria Alm einer der bedeutsamsten Tourismusorte im Pinzgau ist, ist die Touristenfülle noch in einem erträglichen Maß. Die zahlreichen Hotels und Apartmenthäuser gruppieren sich natürlich kreisförmig um das Zentrum, das von der Wallfahrtskirche mit ihrem ausgeprägten Spitzturm markiert wird. Auf die Grasberge südlich des Ortes sind mehrere Seilbahnlagen. Alles ist eingebettet in den Gegensatz von sanften Grasbergen auf der einen Seite und schroffen Kalkwänden auf der anderen Seite, zwei konträren Seiten, wie auch unser Leben oft zwei Seiten hat. Im Sommer sind die Höhen rund um die Orte am Steinernen Meer mit Bikes befahrbar und zum gut propagierten sportlichen Freizeitangebot geworden – vor allem dank der E-Bike-Welle. Wir wählen von unserem privilegierten Ausgangspunkt mit unseren Normalo-Bikes gleich die als „Königstour“ titulierte Hundstalrunde. Sie führt auf den höchsten Grasberg im Pinzgau.

Vorbei an nun ruhenden Liftanlagen geht es über Almwege auf breiten und meist nicht allzu steilen Wegen bis auf die Spitze des Hundsberg. Die Berghütte war schon von weitem sichtbar, liegt sie doch exponiert am höchsten Punkt, das Gipfelkreuz gleich daneben. Weit unten liegt der Zeller See und dahinter schauen die Gletscherberge der Hohen Tauern hervor.

Stratzberghaus – Zeller See – Tauern-Radweg

Knapp unterhalb vom Stratzberghaus führt auf der Nordseite vom Hundstein zunächst ein schöner Trail hinunter in die Wälder und immer wieder wird der Blick auf den Zeller See freigegeben. Die Bäume und Sträucher riechen nach Hochsommer. Bei Thumersbach im Kurpark gibt es einen öffentlichen Strandzugang. Trotz meiner Verletzung in der Schulter tut das kurze Schwimmen gut. Der See ist nicht kalt – und dennoch gibt es eine erfrischende Abkühlung an einem Tag, der zunehmend wärmer geworden ist. Der Tauern-Radweg durch das weite Saalfeldener Becker ist ein angenehm flach-gewellter Abschluss nach den Steilstrecken.

Wallfahrtskirche Maria Alm

Nach der Tour tut es noch gut, alleine in der Kirche zu sitzen. Sie wird in den Tourismusbroschüren nicht als Attraktion angepriesen. Das ist auch gut so, dass sie nicht zum Tourismusprogramm zhlt. Die Ursprünge der Wallfahrtskirche führen wieder zum Ursus, dem Bären, zurück. Als ein Holzfäller, so die Legende, von einem Bären zerrissen wurde, wurde ein Marienbild angebracht, dem von nun an heilende Kräfte zugesagt wurden. Es sind Legenden mit tiefer Wahrheit, weil es auch in unserer Welt und in meinem Leben jene heilenden und beschützenden Kräfte gibt. Das barocke Innere der Kirche ist wie ein Lehrbuch über religiöse Grunderfahrungen und im Schnelldurchgang bleiben Blicke und Gedanken und Gefühle bei einigen Elementen hängen: Maria, die auf einer Mondsichel steht, bildet das Zentrum. Laut dem Buch der Offenbarung wird sie das Heil bringen, wird alles ein gutes Ende haben. Es ist eine Botschaft, die diese von Krisen gebeutelte und bedrohte Welt so sehr braucht. Links und rechts stehen die Statuen von Heiligen, die versinnbildlichen, wie es zu einer Rettung der Welt kommen kann. Dargestellt wird die Hl. Katharina von Alexandria, erkennbar an den Attributen des zerbrochenen Rades und des Schwertes. Dazu passt wohl auch die Statue der Hl. Barbara. Beide Frauen waren bereit zu widerspenstigem Widerstand, wenn es galt, für eine höhere Wahrheit einzutreten. Mich erinnern sie an jene Frauen und Männer, die in diesen Tag als Letzte Generation oder Extinction Rebellion Aktionen des Zivilen Ungehorsams an Flughäfen durchführten, damit unsere Welt gerettet wird und nicht zur Klimahölle mutiert. Als vierte Frau im Bunde wird noch Theresia von Avila mit Buch und Ordensgewand dargestellt. Auch sie verkörpert eine Botschaft, die unsere Welt so sehr braucht: Den Mut zu einem radikal einfachen Leben. Die zentralen weiblichen Frauengestalten aus der Geschichte des Christentums stehen zugleich in einer langen Tradition. So werden in einem Freskenzyklus der Maria-Alm-Kirche die zentralen Frauengestalten des jüdischen Volkes dargestellt. Sie waren immer wieder Thema in meinem Religionsunterricht und sind ein bleibendes Zeugnis für die Bedeutung der Frauen in der Heilsgeschichte der Religionen – zugleich auch die Antithese zu allen patriarchalen Auswüchsen in den konkreten Glaubensgemeinschaften und Kirchen. Zugleich sind diese Gestalten nicht widerspruchsfrei, nicht sündenrein und schuldfrei. Rebecca ist einerseits Heilsbringerin, andererseits trägt sie mit ihrer List dazu bei, dass ihr Lieblingssohn Jakob zum Erbsegen kommt und ihr Erstgeborener Esau betrogen wird. Rahel kann aufgrund ihrer Schönheit ihre Schwester Lea ausbremsen und die Liebe von Jakob auf sich ziehen. Am wichtigsten war mir stets die Gestalt der Ruth, eine Ausländerin im Volk und zugleich eine Brückenbauerin zwischen den Ethnien, ein Musterbeispiel für die Liebe zwischen den Generationen und Völkern und zugleich eine Frau, die nicht klein beigibt, sondern selbst aktiv wird – auch in sexueller Hinsicht. So konnte sie zur Urgroßmutter des Königs David werden – und hier ist die mythologische Linie zu Jesus zu finden. Viel ist in diesen alttestamentlichen Geschichten von grausamer Gewalt, von Völkermord und Hinrichtungen die Rede, die auch mit den anderen Frauengestalten in Verbindung gebracht werden können. Abigail, Bathseba und Ester sind da auf der Kirchendecke zu finden, aber es braucht wohl interessierte Religionskundige, um deren Geschichten zu verstehen, und wenn ich an die Geschichte von Jahel und Judith denke, so ist der Gewaltanteil an diesen Geschichten doch wenig vorbildlich. Bevor ich aus der Kirche gehe, bleibe ich noch kurz am Anna-Altar mit einer Darstellung von Anna-Selbdritt stehen. Schließlich ist gerade heute der Festtag von Anna, damit wohl auch ein Festtag der untrennbaren Verbindung von Judentum und Christentum.

klaus.heidegger

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