Von der Beseitigung tödlicher Waffen: „THE MONK AND THE GUN”

In den Tagen, in denen in Nahost täglich neu Raketenangriffe stattfinden, in denen die mächtigste Nation der Welt mit dem mächtigsten Waffenarsenal auf Kriegskurs geht, in denen sich in der Ukraine die Spiralen von Gewalt und Gegengewalt weiter drehen, in denen sich die Welt angesichts der Gedenktage an Hiroshima und Nagasaki erinnern sollte, wie unmenschlich jede atomare Doktrin ist, in denen in den Kriegsgebieten Afrikas wieder von Anschlägen berichtet wird – in diesen Tagen von Terror, von blindwütiger Rache, von aussichtslosen militärischen Kämpfen und Hochrüstungspolitiken atme ich auf bei einem Film, der gerade in meinem Lieblingskino läuft: „The Monk and the Gun“. Wer ihn ohne Spannungsverlust sehen möchte, soll aber jetzt zum Lesen aufhören und erst nach dem Filmgenuss wieder weiterlesen.

Das Land, in dem der Film spielt, scheint in keiner Medaillenliste der Olympischen Spiele auf. Bei den gegenwärtigen Spielen in Paris wird es so bleiben – auch wenn es drei Athletinnen gibt, die daran teilnehmen. Das Land ist aufgrund seines Waldreichtums das einzige Land der Welt mit einer Minus-CO-2-Bilanz. Es wird mehr vom klimaschädlichen Gas gebunden, als in die Atmosphäre freigesetzt wird. Die Rede ist vom Königreich Bhutan, abgeschieden von der Welt zwischen den beiden Großmächten Indien und China, hat es als einziger Staat dieser Welt die Festlegung eines Bruttonationalglücks.

Der Film „The Monk and the Gun” handelt davon, wie 2008 zum ersten Mal in Bhutan demokratische Wahlen eingeführt werden sollten. Der im Volk sehr beliebte König hatte dazu aufgerufen. Doch wie soll Demokratie gelebt werden in einem Land, das bisher geeint in Gemeinschaften hinter dem König stand und nicht in verschiedene zerstrittene Lager geteilt werden sollte? Tatsächlich bringt es der Plan mit sich, dass eine Spaltung in eine dörfliche Gemeinschaft und bis hinein in eine Familie gebracht wird. In diese Demokratisierungsschiene ist die Geschichte eines US-amerikanischen Waffenhändlers verstrickt. Er ist fixiert darauf, ein antikes Gewehr zu erwerben, mit dem zur Zeit des US-amerikanischen Bürgerkrieges bereits gekämpft worden sei. Zugleich aber hat der Lama einen Plan, wofür er zwei Gewehre bräuchte. Auf der Suche danach schickt er seinen Schüler los, dem es gelingt, ebenfalls das amerikanische Gewehr in Besitz zu nehmen. Der Amerikaner könnte es nur bekommen, wenn er dafür zwei 007-Gewehre – nämlich zwei Kalaschnikows – dafür eintauschen würde. So kommen nun auch diese Waffen ins Spiel. Im Film ereignen sich dabei immer wieder symbolisch höchst liebevolle Pointen: Etwa als auf einem Lastwagen sitzend der Amerikaner seine Tasche mit den Gewehren beschützend umarmt, während neben ihm ein Bhutanese einen überdimensionierten hölzernen Phallus hält, der Teil der Zeremonie werden soll, zu der der Lama einlud. Es beginnt das große Fest. Der Lama verrät nun seinen Plan. Angesichts der neuen Entwicklungen in Bhutan soll eine neue Stupa gebaut werden. Ein Loch für das Fundament war schon vorbereitet. Ziel der Gemeinschaft soll sein, dass all das, was für Feindschaft, für Verletzung, für die Gefährdung des Lebens steht, begraben wird. So wird die anwesende Regierungsvertreterin eingeladen, das wertvolle antike Gewehr zuerst in das Fundament zu werfen. Es folgen die beiden Kalaschnikows. Berührend ist die Szene eines Jungen, der seine Spielzeugpistole hineinwirft, und ein Polizist entledigt sich seiner Pistole. Über diese Tötungsinstrumente wird dann Beton gegossen. Die Macht der Waffen mit ihrem Tötungspotenzial ist für immer begraben. Alle beginnen dann das Fest, es wird getanzt und gefeiert.

Einmal mehr wird hier auch sichtbar, wo die Kraft der Religionen liegen könnte: Im Auftrag, sich der Waffen zu entledigen, sie zu begraben, damit Gesellschaften entstehen, die nicht auf Gewalt aufgebaut sind. Der buddhistische Lama unterscheidet sich in dieser Option für kreative Gewaltfreiheit und Mitgefühl nicht von Papst Franziskus und seinem Nein zu jedem Krieg und zum Ja für sofortigen Waffenstopp und für folgenden Friedensverhandlungen.

Klaus Heidegger, 4.8.2024

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