Gedankenversunken und tränenverhangen, mit Schritten, die sich eines konkreten Zieles an diesem Morgen nicht sicher sind, mit einer vom Weltschmerz geplagten Seele, die sich mehr treiben lässt, als zu einer Aufgabe sich hingezogen fühlte, so stolpere ich in eine Kirche, da deren mächtiges Tor offensteht. Die Gedanken hängen noch an den Zeitungsmeldungen, an den Spekulationen über einen großen Krieg im Nahen Osten, an wieder und wieder neuen Berichten über den Abnützungskrieg in der Ukraine. Heute grinste der ukrainische Präsident über die Lieferung der ersten F-16 Kampflugzeuge. In Israel wird das größte Bunkerkrankenhaus der Welt für den Kriegsfall vorbereitet. Ich lasse mich in die repräsentative Kirche hineinziehen, wo sonst kein Mensch ist. Eine große brennende Kerze und zwei Sonnenblumen sind beim eisernen Gitter, um hinzuweisen auf die aufgeschlagenen Seiten des Lektionars auf dem Ambo daneben mit den vorgesehenen Lesungen des heutigen Tages. Ich beginne darin zu lesen. Es ist einer meiner neutestamentlichen Lieblingstexte, dessen Botschaft ich längst nicht mehr als Vertröstung für eine jenseitig-ferne Vorstell sehe, sondern als wirkmächtige Möglichkeit einer erfüllenden Gegenwärtigkeit, weil und wenn nicht gewartet wird auf eine ferne-transzendende allmächtige Gottheit, sondern die göttliche Kraft als Manifestation in irdisch-begreifbarer Zuwendung sich definieren lässt. Dann kann es geschehen, dass der Ausruf „seht, die Wohnung Gottes unter den Menschen“ sich begreifen lässt. Dann beginnen sich Menschen in gelingenden Beziehungen „die Tränen abzuwischen“ und aufhören werden Trauer und Klage.
Klaus.heidegger, 5. Juli 2024, Festtag von Maria Schnee