Über Hingabe und Aufgabe der „Letzten Generation“

Heute noch werden knallen: die Sektkorken der Männer mit ihren Kornblumensymbolen und den von Säbelhieben vernarbten Wangen. Die blauen Recken werden sich wiegen im vermeintlichen Sieg: Die von ihnen gehasste „Letzte Generation“ gibt auf. Oft habe ich ihre zivilen Ungehorsams-Aktionen in den letzten beiden Jahren als Mitglied der Soli-Gruppe und der Scientists for Future begleitet: bei den Klebeaktionen und zuletzt den Slow Marches durch Innsbruck. Wer sich da auf die Straße setzte, die im Winter eiskalt und oft nass war, während der Asphalt in den Sommermonaten brannte, war für mich ein Hoffnungszeichen in einer Welt, die der Klimahölle entgegen rast. Die Aktionen der Letzten Generation waren mit den einfachen Forderungen nach Reduktion des Tempos und der Verwirklichung der Ziele des Klimarates die notwendige Unterbrechung im automobilen Verbrennungswahnsinn. Die laut den Umfragen derzeit stimmenstärkste Partei lädt in ihren Parlamentsklub die bekanntesten Repräsentanten aus jener Klimaleugner-Gilde ein, die sich gegen den wissenschaftlichen Konsens der Klimaforschenden stellen. Auch der Autoland-Österreich-Bundeskanzler wird sich freuen, die vor allem jungen Menschen mit ihren orangen Westen los zu sein. Die Autofahrenden sollen kein schlechtes Gewissen haben, wenn sie ihren Verbrennungsmotoren huldigen. Man darf sie nicht kurzfristig für eine Nachdenkpause aufhalten. Die Straßenbauer sollen weiterhin ihre fetten Geschäfte machen, die Landschaften zubetonieren und die Böden versiegeln. Die Herrschenden stecken ihre Köpfe in die Sandhaufen der Betonfirmen und wollen nicht wahrhaben, dass hierzulande die Gletscher im Rekordtempo schmelzen und der auftauende Permafrost die Berge bröckeln lässt, dass wochenlang im Süden Europas die Temperaturen auf plus 40 steigen und die Felder in der Hitze verbrennen, dass die Unwetter im Gefolge der veränderten Klimabedingungen unermessliche Schäden mit sich bringen. Die Mineralölfirmen sollen weiterhin ihre Milliarden mit dem todbringenden Rohstoff erwirtschaften. Kriminalisiert wurden die Mitglieder der Letzten Generation – was sie wohl auch zum Aufgeben zwang. „Klimaschützen ist kein Verbrechen …“ haben wir bei den Aktionen wohl vergeblich gerufen. Die Klagsdrohungen waren unverhältnismäßig. Vor allem aber zeigt der Blick auf die durch Urlauberverkehr vollgestopften Straßen, in den von Kondensstreifen durchkreuzten Himmel, auf die weiterhin prallvollen Regale mit Fleischprodukten in den Supermärkten: die massenhafte Einsicht in die Notwendigkeit eines anderen Lebensstils angesichts der Folgen des unvernünftigen, egoistischen und klimaschädlichen Verhaltens ist nicht vorhanden. Die Mitglieder der „Letzten Generation“ haben sich für eine notwendige Umkehr hingegeben – ihre Aufgabe ist geblieben, auch wenn sie im bestehenden Format nun aufgegeben haben.

Klaus Heidegger, 6. August 2024

Kommentare

  1. Auch wenn es die Letzte Generation als Organisation nicht mehr gibt, sind wir trotzdem ALLE GEMEINSAM die letzte Generation, die das Überschreiten des 2°-Limits und damit der Kipppunkte noch verhindern könnte. Egal, wie wir dazu stehen.

  2. Danke Klaus, auch ich bin traurig, dennoch ein not- wendiger Schritt. Bleiben wir dran, die Chance, dass ein heilsamer Ruck durch die Gesellschaft geht, lebt. Liebe und Mut, Petra

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