„ We are the asteroid“: ein Asteroid am Berg Isel

Mitte August 2024. Im kleinen Teleanzeiger der Straßenbahn kommt die Schlagzeile: „Jakarta zieht um“. Die Megacity Südostasiens versinkt zunehmend im steigenden Meeresspiegel. Die ehemalige Hauptstadt Indonesiens wird nun im Regenwald auf Borneo errichtet. Zweite Headline: Schwere Unwetter in St. Anton. Durch das Dorf bahnte sich gestern abends eine Schlammflut. Extreme Hitze in vielen Teilen Europas. Verzweifelte Bauern in Südeuropa, deren Ernten in der Glut vertrocknen. Nach der Straßenbahnfahrt werde ich auf dem Weg nach Wilten bei einem SP-Werbestand in ein Gespräch verwickelt. Eine SPÖ, die hier in Tirol Straßenbauprojekte befürwortet, die kann ich nicht wählen, argumentiere ich. Klimaschutz ist kein Thema in den Broschüren, die mir angeboten werden. Den Wahlkampfapfel nehme ich gerne, den roten Plastikkuli und die Hochglanzbroschüre aber nicht.

Kurz danach: Auf einem der wichtigsten Orte Innsbrucks, am Platz beim Tirol Panorama am Berg Isel, hat ein Künstler die Zerstörung unseres Planeten eindrucksvoll in eine Skulptur gepackt. Thomas Medicus hat eine großformatige Kunstinstallation geschaffen, die einen Asteroiden darstellt. Damit spielt er auf den Einschlag vor 66 Millionen Jahren an, als die Dinosaurier und andere Tierarten ausgerottet wurden. So wie die Menschen derzeit handeln, würden sie nun das sechste Massenaussterben selbst bewirken. Das Mahnmal der Zerstörung in den dunkel-violett-braunen Farben und mit der Form eines Himmelkörpers steckt in einem Baugerüst. Eine Tafel auf dem Eisengerüst klärt auf: In den letzten 50 Jahren sind global bereits 70% der wildlebenden Tierpopulationen verschwunden. Eindrucksvoll wird auch vermittelt, wie sehr eine tierische Ernährungsweise zur Zerstörung des Planeten heute beiträgt.

Die Baustangen rund um die große Skulptur symbolisieren, dass wir Menschen dieses Objekt der Zerstörung selbst erbauen. „We are the asteroid“, so lautet auch der Titel. Es ist kein Asteroid, der von außen die Zerstörung nach sich zieht, sondern wir Menschen sind es, die auf so vielfältige Weise in die Zerstörungsmechanismen verwickelt sind. Sinnbildlich hat der Künstler den Kunstasteroiden aus dem Material von recycelten PET-Flaschen geschaffen, womit er so zum kolossalen Weltraum-Plastikkörper geworden ist. Noch hat der Asteroid nicht eingeschlagen. Er hängt am quadratischen Baugerüst. Nicht weit unterhalb der Kunstinstallation lärmt und stinkt der Massenverkehr auf der Brennerautobahn in den Berg-Isel-Tunnel hinein. „We are the asteroid …“, denke ich mir.

klaus.heidegger, 17.8.2024

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