„Des Kaiser neue Kleider …“

Anders als im Märchen von Hans Christian Andersen können die mächtigen Herren der Welt nur in einem übertragenen Sinn als „nackt“ bezeichnet werden. In der Zeit nach der „Zeitenwende“ (Olaf Scholz) ziehen sie sich selbst und noch lieber ihren Untergebenen martialische Kampfuniformen an. Doch gibt es gleich mehrere Analogien zum klassischen Märchenstoff. Zum einen gibt es da die Weber, die sich bereichern an der Dummheit des Kaisers und seiner Vasallen. Die verlogenen Weber der Ökonomie heute sind die Rüstungskonzerne, die mit der Produktion neuer Waffen kaum mehr nachkommen. In Russland wurde die gesamte Wirtschaft schon auf Kriegswirtschaft umgestellt. In Österreich sehen wir gegenüber den Vorjahren bereits einer Verdoppelung des Militärbudgets entgegen. Die gesamte Welt rüstet auf, weil die Weber und ihre Claqeure so wunderbare Versprechungen machen und das Volk durchschaut deren Strategie nicht und schweigt, wenn die Herrschenden dann wie „nackt“ dastehen, weil die Versprechungen nach Frieden und Sicherheit sich als Lüge erweisen.

Je mehr die neuen Kleider der Kampfuniformen die Politik bestimmen, desto mehr geraten Nationen in die Eskalationsspiralen von Gewalt und Gegengewalt. Wo die Militarisierung der Gehirne stattgefunden hat, bestimmen Rache und Vergeltung das Geschehen, wird es unlogisch und grausam. Wir können dies gegenwärtig an der Entwicklung des Kriegsgeschehens in der Ukraine und in Russland sehen. Wo liegt der Sinn darin, wenn ukrainische Streitkräfte jetzt russisches Gebiet erobern – mit westlichen Waffensystemen, mit Panzern, Infanterie und Artillerie, die von Ländern wie Großbritannien und Deutschland an die Ukraine geliefert worden sind? Selenskyi selbst spricht von Vergeltung. Die westlichen Unterstützer halten sich mit Kritik zurück. Auch die Grünen in Deutschland und Österreich schweigen oder stimmen zu. Das Narrativ vom Recht auf Verteidigung scheint alles zu legitimieren. Alles: Auch die Gefahr einer Eskalation, die bis zum atomaren Schlag reichen könnte? Auch die Zerstörung russischer Dörfer und die Vertreibung der dortigen Bevölkerung? Symbolisch für solches Geschehen ist die Zerstörung von Brücken in Russland. Brücken stünden auch als Metapher für Schritte zueinander.

Dieser Konflikt lässt sich militärisch nicht lösen, sagen nun schon seit der völkerrechtswidrigen Invasion Russlands in der Ukraine Friedensforscher und selbst Generäle, die es wissen müssen. Der Russlandkenner und Politikwissenschaftler Gerhard Mangott meinte vor kurzem in einer Talkshow, dass Selenskyi mit Putin verhandeln müsste, weil Friedensverhandlungen immer implizieren, selbst mit dem größten Gegner ins Gespräch zu kommen. Wir bräuchten so dringend eine Politik, die sich für sofortige Waffenruhe ausspricht und nicht noch mit zynischem Kalkül und russenfeindlichem Pathos die Fortführung des Abnützungskrieges begrüßt. Es ist genug! Genug! Waffenstillstand jetzt und nicht noch mehr Waffenlieferungen!

Klaus Heidegger, 19. 8. 2024

Kommentare

  1. Das Narrativ vom Recht auf Verteidigung scheint alles zu legitimieren. Alles: Auch die Gefahr einer Eskalation, die bis zum atomaren Schlag! Es ist genug: Waffenstillstand jetzt!

  2. Keine Waffenlieferungen mehr! Ja, das wäre die Lösung! Aber da haben die Lieferanten der Waffen – die Rüstungsindustrien hie wie dort – natürlich etwas dagegen. Da würden ja Umsätze zurückgehen und Gewinne einbrechen. Also – the war must go on!

    Dazu macht man jetzt von Seiten der geschundenen Ukraine eine neue Front auf – bei Kursk in Russland. Wie viel haben hier Kontakte von Szelenskij zu den USA dazu beigetragen? Der Rüstungssektor wird i.d. USA mit ca. 900 Mrd.$ p.a. bedient. Später wird man es einmal erfahren.

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