Ein nackter Mann im Skulpturenpark vom Palais Trapp: Mein Kunstspaziergang #3

Kunst drängt sich meist nicht auf. Sie will entdeckt werden. Immer wieder lasse ich mich beschenken von dem, was mir manchmal ganz zufällig an Kunstvollem zufällt. Dann gibt es jene Momente, wo eine Skulptur, ein Bild oder ein architektonisches Detail mich so anspricht, als wäre es ein Bild meiner Seele und meines Erlebten. Bei meinen sommerlichen Stadtspaziergängen passiert mir dies immer wieder. Obwohl ich so viele Jahre bereits als Student in Innsbruck lebte und auch jetzt schon wieder einige Zeit in dieser Stadt bin, war bisher mein Blick nach oben zu den Gipfeln gerichtet und brauchte ich meine Zeit, die da neben Arbeit und politischen Aktivitäten noch blieb für das Unterwegssein in der Natur. Die Meranerstraße war der Ort unserer Studenten-WG. Dass sich schräg gegenüber eines der schönsten Palais von Innsbruck befindet, nahm ich nur en passant wahr.

Gegenüber vom Landhaus geht es durch einen Hofbogen und danach öffnet sich ein wunderbarer Hof, der die Hektik der Maria-Theresien-Straße weit weg fühlen lässt. Hier bin ich in einem barocken Ambiente des mittleren 17. Jahrhunderts, als sich reiche Menschen in den Hinterhöfen der mondänen Straße prächtige Bauten errichten ließen, zu denen auch Gärten zählen. Ein Cafe lädt heute zum Verweilen ein. In der Galerie Maier gibt es gerade eine Werksschau zu Rudi Wach. Im Skulpturenpark sind es vor allem die Werke von Lois Anvidalfarei, die mich verweilen lassen.

„Der in-sich-verknotete Mann“: Diesen Titel gebe ich der Bronzeskulptur. Nackt und kräftig ist der Mann. Sie erinnert an die Männergestalten von Michelangelo. Schläft der Mann? Oder legt er nur schützend die Arme um sich selbst? Täuscht er sein Schlafen nur vor, um sich nicht rechtfertigen zu müssen für sein Sein. Die Nacktheit wird durch sein sichtbares Glied hervorgehoben. Sein Kopf ruht auf dem rechten Unterarm. Mit seinem linken Arm und seiner kräftigen Hand hält er sich selbst fest am Rücken und an der Schulter. Die Hand wirkt übergroß, so als müsste sie sich besonders an der Schulter festhalten. Die Beine liegen übereinander und können doch seine Nacktheit im Intimbereich nicht verbergen. So scheint er sich zu schützen. Vor was? Vor wem? Durch seine Nacktheit ist er trotz seiner Stärke verletzlich, ausgeliefert. Wie Gott den Adam schuf. Die Skulpturen von Anvidalfarei kennen keine Feigenblätter. Vielleicht träumt der Mann von einem Du, dem er sich öffnen kann, weil er weiß, dass dieses Du ihn nicht verletzen wird, sondern lieben, wie er ist. Wie zufällig blühen hinter der Skulptur rosarote Rosen. Vielleicht wartet der nur scheinbar Schlafende darauf, in sich verkrümmt, dass es ein Du geben wird, das ihn öffnet für den Duft der Rosen.

klaus.heidegger

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