Wetterbeten und herbstliches Schneewandern am Ranggerköpfl

Wahlwerbende Politiker, die vom „Autoland“ Österreich träumen und eine Klimaministerin am liebsten vor das Strafgericht zerren würden, weil sie das EU-Renaturierungsgesetz unterzeichnet hatte, diese Politiker sieht man nun mit betroffenen Gesichtern bei den Krisengesprächen angesichts der verheerenden Unwetterkatastrophen im östlichen Teil Österreichs. Die Hochwasserfluten werden bei diesen Politikern kein Umdenken erzeugen: Für sie ist das Wetter schuld. Die warnenden Stimmen aus der Wissenschaft, die von Fridays for Future oder Letzter Generation aufgegriffen wurden, werden weiterhin ignoriert. Man kriminalisiert die „Klimakleber“ und befördert den Autowahn. Die vorherrschende Politik klebt sich fest am Dieselprivileg und an Straßenausbauplänen. Alles, sowohl auf struktureller Ebene wie im individuellen Verhalten, muss getan werden, damit nicht weiterhin die Treibhausgasemissionen steigen, sich die Meere und das Land erhitzen und so katastrophale Wettersituationen mit sich bringen. „Euer Wille geschehe…“ heißt es dreist-dumm-populistisch auf den FPÖ-Wahlplakaten – „euer Wille geschehe“: und die Welt geht unter.

Hier in Tirol haben die Niederschläge die Berge mit kräftigem Schnee überzogen. Bei der Wanderung denke ich an die Menschen im Osten Österreichs, an jene, deren kostbares Hab und Gut in der Flut verloren geht, und an jene, die helfen. Dazu passt der Schutzpatron von Ranggen. Das versteckte Dorf liegt in einer Mulde, die vor hunderttausenden von Jahren von einem Gletscher geformt wurde. Die mächtige Kirche im 1100-Seelen-Dorf nah von Innsbruck ist dem Heiligen Magnus geweiht. Er soll Kräfte gehabt haben, mit denen er Bären und selbst Drachen zähmte.  

Bei der Magnus-Kirche beginnt zunächst der Besinnungsweg. Zu den sieben leiblichen Werken der Barmherzigkeit wurden entlang des Steiges Installationen gemacht. Der steile Fichtenwald duftet, der Waldboden ist überzogen mit Moosen und Farnen. Pilze schießen aus der feuchten Erde. Die Impulse zu den sieben Werken sind einfühlsam. „Gefangene besuchen“ ist ein Werk der Barmherzigkeit. Hinter dicken Gitterstäben ist ein eingesperrtes Herz. Eine kleine Holzbrücke führt zum Gefängnis. Sich Zeit nehmen für die Gefangenen – politisch Gefangene und auch die psychischen Abhängigkeiten, die uns gefangen nehmen. „Fremde herbergen“ heißt das zweite Werk. Auf Baumstümpfen wurden an mehreren Stellen je zwei und zwei Sitzgelegenheiten gemacht. Man könnte Platz nehmen. Man könnte sich in die Augen sehen. Man könnte miteinander ins Gespräch kommen. Man könnte – und ich denke an die letzten Tage, in denen verstärkte Grenzkontrollen zum politischen Tagesthema wurden. Das Werk „Kranke heilen“ wird durch eine gebückte Skulptur dargestellt. Im gebückten Oberkörper aus Stahlgeflecht ist ein großer Stein. Die Gestalt ruft nach Hilfe und sehnt sich danach, aufgerichtet zu werden, weil sie körperliches oder seelisches Leid niederdrückt. „Durstigen zum Trinken geben“ – da plätschert im Hintergrund weißschäumend der Bach über die schwarzen Felsen, eingebettet zwischen saftig grüner Vegetation. „Hungrige speisen“ – wir legen unsere Jause auf den ovalen Steintisch und ich spüre die Dankbarkeit für Menschen, mit denen ich immer wieder „mein Brot“ teilen kann.

Steil führt der Steig dann hinauf. Manchmal versperren die von einem Sturm zerstörten Bäume den Weg und wegen eines Ausweichmanövers gehen wir dann weglos weiter. Von den Bäumen tropft Wasser des tauenden Schnees. Unten fühlt er sich dann schwer an. Im Skigebiet des Ranggerköpfls wurde in den letzten Monaten eine neue Seilbahn gebaut. Noch steht am Gipfel ein mächtiger Kranwagen. Das Wetterkreuz im Hintergrund wird von der neuen Bergstation verdeckt. Am Wetterkreuz auf dem Gipfel steht auf den zwei Querbalken die Bitte: „UNSER GELIEBTES KLEINES LAND: SCHÜTZ ES VOR HAGEL, MUR, ATOM UND BRAND“ – und ich bin wieder am Ausgangspunkt meiner Überlegungen. Auf einem großen Felsbrocken inmitten des schneebedeckten Hochplateaus bei der Krimpenbachalm lassen wir die großartige Landschaft auf uns wirken. Mächtig wirkt der formschöne, tiefverschneite Roßkogel im Hintergrund. Unsere Welt wäre so schön, würde sie nicht von menschlicher Gier zerstört, würden die Werke der Barmherzigkeit jeden Tag neu gelebt werden und würden sich Menschen zärtlich und annehmend begegnen. Unsere Welt ist auch schön und sie soll es bleiben.

klaus.heidegger

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