Freitag, 20. September 2024. Klimastreiktag von Fridays for Future. Anders als in den fünf Jahren zuvor bin ich bei einem so wichtigen Tag nicht bei einer Klimademonstration dabei. In Innsbruck wäre eine Gebetsabend von Religions for Future. Ich bin in Deutschland, bin in der Nato, in einem Land, das „kriegstauglich“ sein möchte, ein Land, das das Zwei-Prozent-Ziel der Nato erreichen möchte.
Vor dem Bahnhof in Rostock ist ein riesiges Werbeplakat. Ein Marinesoldat blickt mich entschlossen an. Er wirbt für den „Waffeneinsatz (sic) der Marine“. Ich informiere mich kurz mit Infos aus der Internetwelt. Aus der von der Ampelkoalition beschlossenen 100 Milliarden Sonderinvestition für die Bundeswehr sollen 20 Milliarden für die Seeflotte flott gemacht werden. Die Zahl der Soldatinnen und Soldaten im Rostocker Marinehafen wird von 500 auf 1000 verdoppelt werden. Ich bin in einem Land, in dem Verteidigungsminister Boris Pistorius vor einigen Monaten in einem ZDF-Interview meinte: „Wir müssen kriegstüchtig werden, wir müssen wehrhaft sein und die Bundeswehr und die Gesellschaft dafür aufstellen …“ In meinem Smartphone kommt eine BBC-Pop-up-Meldung. 70.000 russische Soldaten sollen bereits im Krieg in der Ukraine getötet worden sein.
Weltweit findet ein gigantisches Wettrüsten statt. Milliarden werden in Kampfjets, Panzer, Kriegsschiffe, Waffen und militärische Einrichtungen aller Art gesteckt. Die Zahlen sind eindeutig: Die Rüstungsausgaben sind laut SIPRI im vergangenen Jahr (2023) auf 2,2 Billionen US-Dollar gestiegen. In Europa haben die Rüstungsausgaben der einzelnen Länder um durchschnittlich 13 Prozent zugenommen. In Russland wird der Verteidigungshaushalt auf ein Drittel des russischen Gesamtbudgets steigen.
Inzwischen gibt es Studien, die zeigen, wie sehr Militär und Aufrüstung die Klimasituation verschärfen. Kriege verursachen enorme Treibhausgasemissionen. Allerdings wurden die militärisch-bedingten CO-2-Emissionen aus den nationalen Berichtspflichten über klimaschädliche Treibhausgasemissionen herausgenommen. Man könnte es am Beispiel einzelner Waffengattungen sehen. Allein ein Leopard-2-Kampfpanzer verbraucht pro 100 Kilometer 530 Liter Diesel. Unvergleichlich höher ist der Emissionsausstoß bei den Kampfjets. Diese verbrennen pro Flugstunde bis zu 4850 Liter Kerosin. Der CO2-Ausstoss liegt dabei bei 12 220 Kilogramm. Das Militär ist für rund 5 bis 6 Prozent des globalen Treibhausgasausstoßes verantwortlich. Das Pentagon beispielsweise produziert mehr Treibhausgase als die Länder Schweden oder Portugal. Wäre die Nato ein Land, stünde es im Ranking aller Staaten auf Platz 40. Wenn das Zwei-Prozent Ziel für die Nato-Länder eingeführt wird, würde der Gesamtemissionsbetrag auf 226 Mio Tonnen CO-2 im Jahr steigen. Das entspricht einem Drittel der Treibhausgasemissionen von Deutschland.
Aufrüstung und Krieg stehen also im Widerspruch zu den propagierten Klimazielen. In jedem Ressort gibt es die Vorgaben, möglichst viele Emissionen einzusparen, nicht aber gilt dies für die Verteidigungs- bzw. Kriegssysteme.
Daher gilt: Frieden kommt nicht durch Militär und Aufrüstung, sondern diese verursachen Kriegs- und Konfliktsituationen, die sich auch aus den Folgen der Erderhitzung ergeben. Klimaschutz und Abrüstung gehören zusammen. Arbeit für Frieden und Abrüstung und Arbeit für Klimaschutz gehen Hand in Hand. Daher ist eine Politik, wie sie derzeit auch von den Grünen in Deutschland (und Österreich?) mitunterstützt wird, die sich auf der einen Seite für Klimaschutzmaßnahmen einsetzt und dann zugleich einen Aufrüstungskurs und militärische Außenpolitik rechtfertigen, nicht konsistent.