Den Kaiser mit dem Rad umrunden

Kufstein. Gleich beim Bahnhof geht es über den Inn. Allerseelentag. Samstag. Die Stimmung der Allerheiligentage wirkt. Mächtig thront die Festung über dem Hauptplatz. Mystisch ist die Fahrt entlang des aufgestauten Inns am Radweg Richtung Ebbs. Kalt und feucht. Der Pendling im Westen und die Ausläufer des Zahmen Kaisers sind im dicken Nebel. Die aufgehende Sonne zaubert ein Orange in den Nebel, das auch die herbstlichen Gräser und Blätter auf der Innböschung haben. Ein paar Schwäne schwimmen im Wasser. Von Ebbs weg lässt die Steigung hinauf zur Kirche St. Nikolaus den Körper etwas warm werden. Immer lohnt sich aber der kleine Abstecher zu diesem gotischen Bauwerk mit dem mächtigen quadratischen Turm, dem Kreuzrippengewölbe im Inneren und kunstvollen Statuen. Dem Nikolaus ist die Kirche geweiht, dem Patron der Reisenden. Ich ernenne ihn deswegen immer wieder auch als Patron der Radreisenden. Auf kleinen Straßen, vorbei an landwirtschaftlichen Gehöften und manchmal durch Mischwälder geht es hinunter zum Walchsee. Während das Nordufer unter dem Massenverkehr leidet, ist es am Südufer ruhig. Hier sind auch nur schmale Asphaltstraßen für Radfahrende. Hügelauf und hügelab geht es. Die gegenüberliegenden Hänge der Chiemgauer Alpen sind im Sonnenlicht, das Kaisergebirge im Norden ist im Schatten. Herbst. Wieder geht es hügelauf und hügelab nun nach Norden Richtung St. Johann. Davor aber biegen wir noch hinein ins Kaiserbachtal, um dem Wilden Kaiser ganz nahe zu sein. Die Mautstraße endet bei der Griesner Alm. Jetzt im Herbst wirken die senkrechten Nordwände noch majestätischer. In der Fischbachalm bei Capuccino und Beeren-Schmarren werden neue Energien getankt. Lieblicher wird es dann erst wieder auf der Straße Richtung Kirchdorf und St. Johann. Entlang der Straße steht auf einem mächtigen Felsblock eine Kapelle aus Holz. Steinstufen führen zum Eingang. Ein mystisches Gebäude. „Teufelskapelle“ steht auf dem Wegweiser. Die Sage geht so: Ein Mädchen soll sich so lange lustvoll mit ihrem Geliebten dem Tanz und wohl anderem hingegeben habe, dass sie plötzlich sah, dass derjenige, mit dem sie so viel tanzte, die Klauen eines Teufels hatte. Eine Sage, die trotzt vor sexualfeindlicher schwarzer Pädagogik, denke ich mir beim Weiterfahren. Bei Kirchdorf und St. Johann werden die Ebenen dann sehr weit und von weitem macht sich das Kitzbühler Horn mit seinem Sendemasten bemerkbar. Der Radweg ist nicht unkompliziert, lässt sich aber dank Navigation mit GPS und Komoot gut finden. Wieder ganz vertraut ist mir die Strecke durch das Brixental hinunter nach Wörgl. Die Garmin-Uhr zeigt nur ein wenig über 100 Kilometer und 1200 Höhenmeter im Anstieg.

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