Ein von Gott erwählter Retter: Philosophisch-politisches Nachdenken über Donald Trump & Co

Sozialpsychologische, philosophische und literarische Erklärungshilfen

Was ich zum Wahlausgang in den USA am 5. 11. 2024 mit dem überwältigenden Sieg der Republikaner und von Donald Trump denke, wurde ich gefragt. Meine Antwort ist etwas länger geworden. Meine analytische Reflexion über den erschreckenden Wahlausgang in den USA ist nicht originär. Als kritischer Referenzrahmen könnte ich die sozialpsychologischen Arbeiten über die „Massenpsychologie des Faschismus“ von Wilhelm Reich oder die großen philosophischen Werke nehmen, vom Übermenschen in Zarathustra bei Friedrich Nietzsche über die kranke Gesellschaft und ihre Neurosen bei Erich Fromm, oder ich könnte hineinblicken in die klassische Literatur und würdig fündig werden bei Tolstoi mit Krieg und Frieden und würde sehen, dass ein russischer Zar in vielem den Gestalten von Trump bis Putin ähnelt. Ein paar solcher Gedanken möchte ich aufgreifen, um zu begreifen zu versuchen, was in den USA mit Blick auf die republikanischen Wahlerfolge momentan geschieht und sich spiegelt in den rechtspopulistischen Erfolgen in vielen Teilen der Welt.

Schrittweise in den Faschismus

Erstens, so wird mit Blick auf den Faschismus im letzten Jahrhundert geschrieben, kommt er stets schleichend, nicht wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Herrschaftssüchtige Politiker überschreiten ganz bewusst immer wieder rote Linien. Das „Volk“ gewöhnt sich daran. Man gewöhnt sich daran, dass politische Gegner – für Donald Trump war es Kamala Harris – mit zynischen und beleidigenden Kommentaren niedergemacht werden, dass sexistische und rassistische Äußerungen getätigt werden, dass bestimmte Menschengruppen als Feindbilder dienen – für Trump sind es all die Menschen, die in den letzten Jahren Zuflucht in den USA suchten, dass die Opfer zu Tätern werden, dass wissenschaftliche Ergebnisse in Frage gestellt und durch postfaktische Rhetorik ersetzt werden – bei Trump vor allem mit Blick auf den Klimawandel. Auch wir in Österreich konnten in den letzten Jahren einen Mini-Trump in Gestalt von Herbert Kickl erfahren, auf den all diese Indikatoren zutreffen. Kein Wunder, dass Orban wie Kickl überschwänglich dem neugewählten US-Präsidenten zum Wahlsieg gratulierten.

Ein Führer im Nimbus von Retter und Heiland

Zweitens steigt dann wie ein Phönix aus der Asche ein selbststilisierter Retter empor. Trump gab sich gleich in seiner ersten euphorischen Siegesrede als „Heiland“ aus. „I will heal the society …“, meinte er, während er in anderen Reden polterte, „die Vergeltung“ sein zu wollen, also etwas wie die mythologische Figur eines Racheengels. Das Perverse ist letztlich, dass derjenige, der sich als „Heiler“ ausgibt, zugleich derjenige ist, der das Gift in die Gesellschaft hineingespritzt hat. Wenn Gesundheitsmetaphern von höchster politischer Stelle mit politischem Anspruch benützt werden, ist man freilich schnell beim gesunden Volkskörper und kann dann auf Konzepte wie Remigration (Kickl, AfD) oder der Ausweisung von Millionen Migranten kommen (Trump).

Rückgriff auf nationale Phantasien

Verbunden mit den Rettungsphantasien ist drittens ein historischer Rückgriff auf eine vermeintlich gute alte Zeit. Trumps wichtigster Wahlspruch lautet: „Make America Great Again“. Was heißt aber again? Was heißt wieder? Auf welche Vergangenheit bezieht sich Trump? Es ist das Gleiche wie bei den Postfaschisten hierzulande, die sich auf die Fiktion einer deutschen Nation beziehen und in dem Staffellied das „heil’ge deutsche Reich“ besingen, oder Putin mit seinem Schwadronieren von einem Großrussland, oder eben Trump mit Bezug auf etwas, das es so eigentlich nie gegeben hat. Trump und Putin, Milei und Orban, Le Pen und Kickl – sie sind alle aus dem gleichen Holz geschnitzt. Als ich meiner amerikanischen Freundin am Tag nach den US-Wahlen trotz allem ermutigende Worte schickte, meinte sie: We have Trump, you have Kickl. Und es stimmt: Die völkischen Bierzeltworte von Herbert Kickl ähneln jenen von Donald Trump und jenem Mann in Südamerika, der seine Wahlkampftouren mit einer Motorsäge untermalte.

Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit

Die bewusste Stigmatisierung von bestimmten Menschen und damit ein Freund-Feind-Schema gehören viertens zum Wesen des Rechtspopulismus. Die Nationalsozialisten bezeichneten die Juden als Parasiten und Volksschädlinge. Solches Denken führte zur Shoah. In analoger Weise werden auch hierzulande vor allem Flüchtlinge als gefährlich, nutzlos und ausbeuterisch stigmatisiert. Das galt auch für die Wahlkampfrhetorik von Trump im Kampf gegen die Migration. Da geschah es schon, dass Trump in seiner rhetorischen Rage einmal meinte, dass Migranten in Springfield Katzen und Hunde essen würden.

Religiöse Untermauerung des Rechtsextremismus

Fünftens geben sich die selbsternannten Erlöser meist noch eine religiöse Legitimation, die bei Trump besonders ausgeprägt ist. Gott habe ihn auserwählt, die amerikanische Nation zu heilen. Gott habe ihn beschützt. Putin wähnt sich mit seinen großrussischen Ambitionen unter dem Segen des Patriarchen und der russisch-orthodoxen Kirche und auch der argentinische Staatspräsident bemüht manchmal ein Bibelzitat, um seine rechtspopulistischen Anliegen scheinreligiös zu legitimieren.

Sexuelle Ängste

Ein sechstes Merkmal liegt tief im Emotionalen verborgen. Hier könnten wir auf die Analyse von Wilhelm Reich hinweisen. Rechtspopulisten wählen als Strategie stets die Emotionalisierung – und in keinem anderen Bereich gelingt dies besser als bei sexuellen Themen. Trump warnte in seinen Wahlkampfreden vor den Vergewaltigungen von Frauen durch illegale mexikanische Einwanderer, Trump stellte sich gegen das, was er als Genderideologie bezeichnete und gegen die Rechte von Homosexuellen und Transgender-Menschen. Das Instrumentalisieren sexueller Ängste war im Laufe der Geschichte bis zum heutigen Tag ein Nährboden für die größten Verbrechen.

Ein Volk, ein Führer

Ein siebtes Merkmal: Populistische Autokraten identifizieren sich als eine Einheit mit dem Volk. Herbert Kickl wollte „Volkskanzler“ werden und scheute sich trotz der belasteten Geschichte nicht, diesen Begriff zu verwenden. Trump gibt vor, einzig dem Volk dienen zu wollen. Er sei die Stimme des Volkes, posaunt er hinaus.

Faschistoide Politik

Umberto Eco gibt u.a. folgende Kriterien an, mit denen er den Faschismus qualifiziert: Ablehnung der Moderne, Ablehnung der liberalen Demokratie, Appell an eine frustrierte Mittelschicht, Besessenheit von einer Verschwörung, Erfindung eines einzigen wahren Volkes. Hans Rauscher schrieb vor den Wahlen aufgrund dieser Kriterien: „… was Trump von sich gibt, wabert am Rande des Faschismus, manchmal darüber hinaus.“ Wenn Trump seine Gegner als „innere Feinde“ bezeichnet, gegen die er notfalls das Militär einsetzen würde, wenn Kickl mit Blick auf seine Gegner von „Volksverrätern“ spricht und „Fahndungslisten“ erstellen möchte, dann sind hier längst demokratische Spielregeln von einer faschistoiden, gewaltdurchsetzten Phantasie durchbrochen worden.

Resümee: Angst und Widerstand

Mir jedenfalls macht mit Rückblick auf die Geschichte ein Donald Trump mit seinen Worten, er wolle nur für einen Tag Diktator sein, mit seiner Ankündigung, Vergeltung gegen alle zu üben, die sich ihm in den Weg stellten, mit seiner Absicht, kritischen TV-Sendern die Lizenz zu entziehen Angst. Was mir bleibt, ist das Formulieren von kritischen Gedanken gegen all die faschistischen Tendenzen in unserer Welt und die zivilgesellschaftlichen Foren und Bewegungen zu nützen, um in einem anderen Miteinander sich zu stärken für eine Welt ohne Hass und Gewalt.

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