Train-Bike-Hike-Bike. Unsere Runde startet dort, wo wir daheim sind. Mit Rad zum Bahnhof. Mit Zug nach Matrei am Brenner. Wie immer ist es unkompliziert und entspannend, die Anreise mit Zug zu machen. Das Klimaticket und eine Monatskarte für die Radmitnahme fühlen sich stets gut an. Die Mautstraße auf die Waldrast ist ideal zum Aufwärmen. Wirklich warm wird uns bei dieser Herbstkälte trotzdem nicht. Das Kloster und die Kirche von Maria Waldrast liegen hellangestrahlt zwischen den goldgelben Almwiesen. Mir bleibt noch Zeit für eine Verweildauer in der Wallfahrtskirche. Oft war ich hier, habe Schulgottesdienste vorbereitet und durchgeführt. Ganz still ist es in der Kirche. Die Gnadenmadonna ist der Mittelpunkt in dem schwarzhölzernen Hochaltar. Die Geschichte dieser kleinen Statue aus Lindenholz habe ich stets gerne meinen Schülerinnen und Schülern erzählt, nicht im Sinne von abergläubigen Wundergeschichten, sondern von Verdichtungen religiöser Grunderfahrungen. Es gibt die göttlichen Kräfte, die uns gerade in Notsituationen aufrichten. So wie der Beginn der Geschichte von Waldrast. Zwei Burschen aus einem Hof unten in Mützen sollen vernommen haben, dass in einer Linde eine Statue von Maria sich bilde. Dies geschah auch. So wurde für diese Statue eine Wallfahrtskirche errichtet und im 17. Jahrhundert das Kloster der Serviten. Genau 400 Jahre ist es her. Wo früher die Servitenpatres ein klösterliches Leben führten, werden heute im Waldrast Resort Gäste verwöhnt. Statt Rosenkranz und Wallfahrtsgottesdiensten werden Yoga-Sessions angeboten, statt Singen von Stundengebeten gibt es Jodelkurse für die Gäste. Allein bin ich an diesem Vormittag in der Kirche, während ich wieder an eine andere Geschichte über die Statue denke. Die Nazis wollten sie vernichten. Zwei mutige Burschen sind aber in die schon zwangsgesperrte Kirche durch ein Seitenfenster eingedrungen und haben Maria dann in einem anderen Dorf versteckt, bis der Terror der Nazis ein Ende hatte.
Am Brunnen vor der Kirche füllen Menschen rosenkranzbetend kanisterweise Wasser ab. Es soll rechtsdrehend und besonders heilend sein. Da vertraue ich doch lieber anderen heilenden Kräften, die es wirklich gibt. Den Steig hinauf zur Serles kenne ich fast blind. Zuerst etwas hinauf, dann in einer langen Querung bis unter das Serlesjoch und von dort schließlich über eine kurze Leiter auf den Südrücken des Serlesgipfels. Die Felsen fühlen sich jedes Mal noch etwas abgeschmierter an. Jetzt im Herbst sind all die Farben – das Braun der Hänge, das Orange der Lärchenwälder, das Grün in den Tälern und das Blau des Himmels – noch intensiver geworden. Von der Waldrast bis auf den Gipfel sind es gerade einmal 1100 Höhenmeter. Das ist nicht weit. Da bleibt auch noch Zeit für eine Einkehr auf der Waldrast, um dann die Forstwege über das Wallfahrtsjöchl hinunter in Stubaital zu nehmen. Die mächtigen Nordabbrüche der Serles sind nun direkt einsehbar. Über Fulpmes und Terfens fahren wir dann über die Telfer Wiesn zurück nach Innsbruck. Bei der Fahrt durch die Triumphpforte geht der Blick zurück auf die formschöne Gestalt der Serles, die sich tiefschwarz vom Abendhimmel abhebt.