In den Ballungszentren soll man körperliche Anstrengungen vermeiden. So vermelden es seit Tagen Umweltmediziner angesichts der andauernden Inversionswetterlage. Die mit Feinstaub und vielen Luftschadstoffen vergiftete Luft bleibt in der Kälte des Tales, während weiter oben die Sonne die Luft erwärmt. Steigt man auch nur ein wenig hinauf in die Höhen, sieht man im Inntal unten und speziell über dem Innsbrucker Stadtgebiet einen grau-giftigen Schleier. Insbesondere ältere Menschen und Kinder und krankheitsbedingt vorgeschädigte Personen sind von diesem Giftmix betroffen. Dennoch wälzen sich die Kolonnen auf den Autobahnen im Inntal und durch das Wipptal, dennoch sind die Innsbrucker Straßen voller Autos mit ihren Verbrennungsmotoren. Die eigenen entfremdeten und egoistischen Bedürfnisse der Erdenbewohner scheinen wichtiger zu sein als ein gutes Leben für alle.
Da tut es immer wieder besonders gut, hinauszukommen aus der Stadt und sich über der Smogdecke zu bewegen. Die vielen Öffis machen dies möglich. Halbstündlich fährt der Zug von Innsbruck Richtung Seefeld. Direkt vom Bahnhof Hochzirl führt einer der Wege und Steige auf den Gipfel des Großen Solstein. Auf dem kürzesten Weg sind es genau 10 Kilometer und 1750 Höhenmeter. Föhrenwälder, durch die manchmal auch ein spätherbstlicher Sonnenstrahl hineinfindet; eine Hütte, das Solsteinhaus, das längst schon in Winterpause ist; Steige, die nordseitig mit Schnee bedeckt sind – an einer Stelle hatte ich Probleme beim Traversieren einer engen Stelle; ein Steigen im Wechselspiel von dunkel-kaltem Schatten und wärmend-heller Sonne; ein Berg mit einem breiten westseitigen Bergrücken und einer steilen Nordwand; ein grandioser Panoramablick in alle Himmelsrichtungen – hinüber zur Zugspitze mit dem Jubiläumsgrat; hinein in das Karwendel mit der Fülle an imposanten Gipfeln; auf der anderen Seite das Meer von Gipfeln der Sellrainer Berge, der Stubaier und Zillertaler Alpen; dazwischen die noch tiefgrünen Täler, die halb im Schatten, halb in der Sonne liegen.
Der Herbst in der Natur ist die Jahreszeit, sich so mancher Klarheit bewusst zu werden: Zwischen dem Dunklen und Kalten und dem Hellen und Warmen sollten Entscheidungen nicht schwerfallen. Freilich braucht es den Mut, aufzubrechen und mit Abertausenden kleinen Schritten sich auf den Weg ins Lichte zu machen.
Bild: Auf dem Weg zum Großen Solstein