
Der Blick geht über die Stadt. An diesem 2. Dezembertag hängt ein giftig-grauer Schleier, ein Cocktail aus Kohlenmonoxid, Kohlendioxid, Stickoxiden, Rußpartikeln und Feinstaub über den Häusern und Straßen. Bei Temperaturen um den Gefrierpunkt sind die Abgase der Verbrennungsmotoren noch unerträglicher. Wie üblich auf die Seite gequetscht als Radfahrer von so manchem aggressiven Automenschen versuche ich möglichst wenig zu atmen und den Brechreiz angesichts der schlechten Luft zu unterdrücken. Ich träume davon, dass es zumindest viel mehr Tempo-30-Zonen geben würde, aber ich lebe in einem Land, in dem sich die Freiheitlichen mit ihrem Slogan „freie Fahrt für freie Bürger“ als Auto-Lobby-Partei im permanenten Aufwind befinden. Auf den Einfahrtsstraßen in den Zentralraum Innsbruck herrscht wie an jedem Morgen Massenverkehr. Die meisten Menschen glauben, selbst am Steuer zu sitzen, während sie sich doch von ihrer eigenen Bequemlichkeit und entfremdeten Bedürfnissen steuern lassen! In der Steiermark buhlt die ÖVP darum, mit der Klimawandel-Leugner-Partei eine Koalition einzugehen. Die Aktionen der Letzten Generation, die ich noch vor einem Jahr immer wieder unterstützte, sind inzwischen Geschichte. Geblieben ist die Radldemo von Critical Mass jeden letzten Freitag im Monat. Begleitet von blau blinkenden Polizeiautos waren wir am Abend des Black Friday unterwegs, an die 50 Radelnde, vorbei an den Christkindlmärkten, ein wenig das Verkehrsaufkommen einbremsend, auch wenn es nur knapp zwei Stunden waren. Ich bin dankbar für mein österreichweites Klimaticket, dankbar für das breite Angebot an öffentlichen Verkehrsmitteln, mit denen ich mich stresslos kreuz und quer im Land bewegen kann. Am engen Radweg – die Breite der Straßen gehört den Autos – ist morgens viel los. Hier lebt die andere Wirklichkeit. Papas und Mamas, die ihre Kinder mit eCargo-Rädern in die Schulen oder Kindergärten bringen, Studierende mit oft klapprigen Rädern, Menschen radelnd auf dem Weg zur Arbeit. Manchmal sind am Radweg noch Läuferinnen und Läufer, manchmal Hunde, die unberechenbar auf den Radweg springen, während das Herrchen oder Frauchen mit dem Handy beschäftigt ist, manchmal werde ich mit über 26 km/h von einem der E-Scooter-Menschen überholt. Heute nehme ich jedenfalls bewusst die KTM-Aufschrift auf meinem Rad wahr. Hätte die oberösterreichische Motorradfabrik längst schon mehr auf umweltfreundliche Mobilität gesetzt, auf Fahrzeuge mit E-Motoren und nicht mit Verbrennungsmotoren, nicht auf die extrem umweltschädlichen Motorräder, die Lärm und Gestank produzieren und kostbare Ressourcen vernichten, dann wären jetzt nicht die Arbeitsplätze so vieler Menschen gefährdet.
Das messianische Reich, das kommen soll, so zumindest die Ursprungsbedeutung des Advents, wäre eine Wirklichkeit, in der Fußgehende und Radfahrende sich die Städte zurückerobert haben und man frei von Umweltgiften atmen kann, in der Menschen in den Fabriken an klimaneutralen und nachhaltigen Produkten arbeiten würden, in der die Sinne der Menschen nicht unter dem Lärm und Gestank von Autos leiden würden.
2. Dezember 2024