Bischofsernennungen in der römisch-katholischen Kirche und ihr Bekenntnis zur Synodalität

Der altersbedingte Rücktritt von Erzbischof Kardinal Christoph Schönborn wurde von Papst Franziskus schon vor längerer Zeit angenommen. Die geheimnisvolle Suche nach einem Nachfolger ist im Gange. Auf die sachte Frage der Journalistin nach der Ernennung eines Nachfolgers für den erzbischöflichen Stuhl in Wien in der ORF-Pressestunde am 1. Adventsonntag gab es von Schönborn nur Zustimmung zur bisher geübten Praxis, darauf zu warten, wie sich der Papst letztlich entscheiden würde. Hinter den Wänden des Vatikans, der Nuntiatur und der Bischofshäuser wird sicher darüber gesprochen. Das Kirchenvolk ist einmal mehr nicht eingebunden. Die frühkirchliche Praxis der Wahl des Episkopus, wie am Beispiel des Heiligen Martinus oder des Heiligen Nikolaus gezeigt werden könnte, zählt längst nicht mehr zur kirchlichen Doktrin. Die römisch-katholische Kirche gibt sich in der Frage der Bischofsernennungen – damit in der Frage des höchsten Lehr- und Leitungsamtes – strikt hierarchisch. Das im Prozess der Weltsynode so oft genannte Prinzip der Synodalität gilt nicht mehr, wenn es an die ganz entscheidenden Fragen geht. Die kirchlichen Strukturen in Bezug auf die Auswahl von Bischöfen sind eine implizite Kritik an demokratischen Vorgangsweisen. Die Kirche predigt demokratische Grundsätze und hält es bei Bischofsbestellungen mit monarchistischen Traditionen. Eine Beteiligung der Ortskirchen ist bei der Auswahl neuer Bischöfe nicht gefragt. Die Kultur der Verschwiegenheit hat System.

Dass es auch anders ginge, haben die Ordensgemeinschaften vorgelebt, in denen Äbte und Äbtissinnen immer schon demokratisch gewählt worden sind. Es gibt noch andere Ansätze für eine demokratische Bestimmung von Bischöfen. So werden beispielsweise im Bistum St. Gallen in der Schweiz die Kandidaten synodal bestimmt und vom Domkapitel dann gewählt – also nicht vom Vatikan bestimmt. Auch die Art und Weise, wie in den evangelischen Kirchen oder der altkatholischen Kirche die Bischöfinnen und Bischöfe durch das Volk gewählt werden, stellt ein positives Modell dar.

Längst wünschen sich Gläubige ein anderes Prozedere bei der Ernennung von Bischöfen, das mehr dem Geist der Kirche entspräche und von einem Vertrauen in das Volk Gottes geprägt sein könnte. Ein Bischof soll nicht mehr aus der Tiara des Papstes und der Mitra des Nuntius gezaubert werden – bzw. durch die einflussreichen vatikanischen Seilschaften, sondern soll durch das Hinhören und Mitentscheiden jener, für die ein Bischof „Hirte“ ist, aus dem Volk herauswachsen. Wahrscheinlich würde dies auch den Weg frei machen für Bischöfe, die in zentralen kirchlichen Fragen wie der Gleichstellung der Geschlechter oder einer humanwissenschaftlich fundierten menschenfreundlichen Sexualmoral andere Akzente setzen würden. Die gläsernen kirchlichen Decken würden zerbersten

Die Kritik am gegenwärtigen Modus der Bischofsernennung lässt sich auch historisch begründen, nämlich jener Tradition der ersten Jahrhunderte, in denen nicht einfach ein Bischof vom Papst bestimmt worden ist, sondern das Volk bestimmen konnte. Unter Papst Leo (440-461) hieß es noch: „Wer allen vorstehen soll, soll auch von allen gewählt werden“ oder bei Papst Cölestin I. (422-432): „Kein Bischof soll denen aufgezwungen werden, die ihn nicht wollen“. Selbst im 11. Jahrhundert konnten noch Klerus und Volk ihre Bischöfe bestimmen. Tatsächlich ist das alleinige Ernennungsrecht des Papstes im Gesamt der Kirchengeschichte relativ jung. Erst im Codex Iuris Canonici von 1917 (Can. 329 § 2) bekommt der Papst die Machtstellung zur Ernennung von Bischöfen, die er – mit wenigen Ausnahmen – weltweit noch heute besitzt.

Mit Blick auf die zuletzt betonte Synodalität der Kirche in Fortsetzung der Aufwertung des Volkes Gottes im Zweiten Vatikanischen Konzil vertraue ich darauf, dass sich ein anderer Geist durchsetzen könnte. Die Eigenständigkeit der Ortskirchen könnte mehr an an Bedeutung gewinnen. Der Einfluss der Nuntien freilich würde zurückgehen. Das Hinhören auf den „sensus fidelium“ – den „Gemeinsinn der Gläubigen“ – der theologisch so gerne genannt wird, wäre kein Lippenbekenntnis mehr. Die Ernennung von Männern zu Bischöfen in einem herrschaftlichen Top-down-Prozess sein ist nicht in Stein gemeißelt, sondern Männer – und hoffentlich bald auch Frauen – können, wie damals eine Maria Magdalena oder ein Bischof Nikolaus, zu Apostelinnen und Episkopoi in einem Bottom-up-Verfahren ernannt werden.

Klaus Heidegger, 4.12.2024

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