Aktueller Ausgangspunkt – eine alte Debatte neu aufgelegt
Kardinal Schönborn meinte zuletzt gleich mehrmals, dass es in nächster Zukunft mit Blick auf die Bibel sowie die Tradition der katholischen Kirche keine Diakoninnen, Priesterinnen oder Bischöfinnen geben könne. Ich will hier gar nicht ausführlich bibelwissenschaftlich sowie kirchenhistorisch argumentieren, warum die Aussagen Schönborns kritikwürdig sind. Die einschlägige Literatur darüber ist bereits ausführlich genug. In meinem letzten Beitrag ging ich auf die Geschichte der Begegnung von Maria und Elisabeth ein. Diesen Faden möchte ich nun wieder aufgreifen und weiterspinnen, weil er so gut zum kommenden Weihnachtsfest passt. Beginnen möchte ich mit einem Zitat, das Teresa von Avila zugeschrieben wird:
„Ich meinte aber, es sei Gottes Wille,
was der Apostel Paulus sagt
über die Zurückgezogenheit der Frauen,
ich hatte dieses Wort gerade kürzlich gehört.
Da sprach aber der Herr zu mir:
‚Sag ihnen, dass sie nicht eine einzelne Schriftstelle verabsolutieren,
sondern weitere in Betracht ziehen sollen,
und dass sie nur nicht meinen,
sie könnten mir die Hände binden.“
Teresa von Avila (1515-1582)
Elisabeth – Prophetin des messianischen Reiches
Wie es das Schicksal von bedeutsamen Frauen unter patriarchalen Verhältnissen ist, wird ihre Rolle in den Schatten gestellt – meist in den Schatten von Männern. Dabei kann gerade der Blick auf das Wenige, das der Evangelist Lukas in seiner Kindheitsgeschichte über Elisabeth nennt, für die Frage nach der Stellung von Frauen in den Religionen erhellend sein. Auffallend ist zunächst, dass Elisabeth mit Namen genannt wird. Zweitens wird sie auf Augenhöhe mit ihrem Priestergatten Zacharias gesehen. Drittens erfährt sie durch göttlichen Zuspruch die Zusage, dass sie noch schwanger werden wird und einen Sohn gebären wird. Dieser ist Johannes der Täufer.
In diesem Erzählfaden liegt die Befreiungsgeschichte des Volkes Israel. Der Evangelist Lukas setzt die neutestamentliche Elisabeth bewusst in die Tradition eines priesterlichen Geschlechtes aus dem Stamme Aaron. In dieser Tradition ist deswegen auch Elisabeth „priesterlich“ – so wie ihr Mann Zacharias. Zugleich werden beide als „gerecht“ bezeichnet. Es ist eine klassische Zuschreibung für Menschen, die widerständisch auf Seiten der Opfer eines ungerechten Systems stehen. Der Sohn Elisabeths, Johannes der Täufer, musste dafür mit dem Leben bezahlen. Elisabeth steht schließlich auch für eine Gestalt, die Judentum und Christentum miteinander verbindet und damit antijüdische Ressentiments unterläuft. Elisabeth wird als typisch jüdische Mama dafür gesorgt haben, dass ihr Sohn Johannes die Erzählungen über das Gesetz und die Propheten und Prophetinnen gehört hat. M.a.W.: Johannes hat sein Prophetensein von Elisabeth gelernt.
In der Begegnungsgeschichte von Maria und Elisabeth liegt keine Konkurrenz, wie dies in einer antijüdischen Hermeneutik oft interpretiert worden ist. Beide Frauen sind gleichrangig „auserwählt“, um zur Befreiung des ausgebeuteten und unterjochten Volkes beizutragen. Faktum ist: Das Heil, das dem Volk Israel und von ihm ausgehend alle Völker erfahren soll, ist untrennbar mit Elisabeth und Maria verknüpft.
Klaus Heidegger, Weihnachtstexte 2024
(Zum Bild: Ölgemälde von Anne Worbes, in: http://www.anne-worbes.de/index.html)