Zu einem Ritual zählt es, dass in Innsbruck anlässlich des Weltfriedenstages am ersten Tag des Neuen Jahres eine Kundgebung und eine Demonstration stattfinden. Organisiert werden diese von einem Bündnis von NGOs wie Pax Christi, Sant’Egidio und der Ökumenischen Initiative. Friede wird ersehnt von zivilgesellschaftlichen Organisationen, so die erste Botschaft. Zugleich findet diese Veranstaltung die Unterstützung der Kirchen und Religionsgemeinschaften. Bischof Hermann für die römisch-katholische Kirche und Superintendent Olivier Dantine für die Evangelischen Kirchen, eine Vertreterin der Serbisch-Orthodoxen Kirche und ein Vertreter der Altkatholischen Kirche, Vertreter der Islamischen Glaubensgemeinschaft sowie einer jüdischen Organisation, die sich für die Freilassung der Geiseln einsetzt, zeigen in interreligiöser Gemeinschaft auf, dass Gläubige aller Religionen sich im Sehnen nach Frieden vernetzen. Der Startpunkt der Veranstaltung ist bei der Annasäule, auf der ganz oben Maria als Friedenskönigin ihren Platz hat. Hoffnungen nach einem Ende von Kriegen und Aufrüstungsspiralen gehen zu ihr, deren Hochfest in der katholischen Kirche am Neujahrstag gefeiert wird. Maria von Nazareth, Maryam ibn Isa – sie steht für einen Weg, sich ohne Gewalt von Unterdrückung zu befreien. Ihr Sohn, der im Christentum und im Islam und auch in einer jüdischen Interpretation als Messias verehrt wird, hat Gewaltverzicht verkündigt und vorgelebt.
Die Stellungnahmen von kirchlichen Autoritäten zum Weltfriedenstag bedürfen einer Konkretisierung, um wirksam greifen zu können. Aussagen wie „alle Menschen sehnen sich nach Frieden“, so Erzbischof Lackner im Salzburger Dom, bleiben leere Floskeln ohne Wirkkraft, wenn sie nicht mit Fakten verknüpft werden. Ein Nein zu jedem Krieg würde bedeuten, sich gegen Waffenlieferungen zu stellen, die das Blutvergießen nur verlängern und keinen Frieden bringen, sondern Kriege nur verlängern. Es wäre so wichtig, wenn Bischöfe sich in ihren Predigten expressis verbis stark machen würden für Waffenstillstand und Friedensverhandlungen in all den vielen bewaffneten Auseinandersetzungen und Kriegen. Wenn der Salzburger Bischof davon spricht, dass in der Ukraine ein „brutaler Krieg wütet“, so könnte diese Rhetorik vom „Wüten des Krieges“ suggerieren, dass Kriege wie Naturkatastrophen seien. Nein, Kriege werden von mächtigen Menschen und ihren eigenen Interessen gemacht. Kriege werden von Rüstungskonzernen gefüttert und leben von der meist stillen Unterstützung der Massen. Kriege gibt es, weil es militärisches Denken und gigantische militärische Mittel gibt. Deswegen zeigt solcher Blickwinkel auch die Lösungen auf: Wenn die egoistisch-nationalen Interessen aufgedeckt werden, die zu Kriegen und deren Fortsetzung führen; wenn Kriegsdienste verweigert werden und Friedens- und Versöhnungsdienste an ihre Stelle treten; wenn nicht immer noch mehr Kriegsmittel produziert, stationiert und geliefert werden: dann könnten Kriege beendet werden und Frieden würde erblühen.
Konkrete Friedensworte mit Blick auf Österreich würden wohl auch Bezug nehmen auf eine Politik, die trotz angespannter Budgetlage das Militäretat ständig erhöht. Fast zeitgleich mit dem Weltfriedenstag wird ganz selbstverständlich von der noch amtierenden Regierungsseite bekanntgegeben, dass nun der Ankauf neuer Kampfjets beschlossen sei. Dieser Deal allein wird mit einer Milliarde Euro angegeben – Folgekosten werden Hunderte Millionen in den kommenden Jahren verschlingen. Wenn rund um den Neujahrstag in Innsbruck ein Stellungsverweigerer in Handschellen vor die Musterung geschleppt wird, dann ist auch das ein Signal, dass in unserem Staat das System der allgemeinen Wehrpflicht ein militärischer Anachronismus ist. Der oberösterreichische Bischof Manfred Scheuer sprach zu Silvester von der Notwendigkeit eines „turn around“, einer Abkehr vom Krieg, die auf Vergebung und Versöhnung aufbauen würde. Doch wo ist diese Abkehr zu Beginn des Jahres 2025, wenn wieder Tausende Menschen in kriegerischen Auseinandersetzungen getötet oder verstümmelt werden? Wo ist die Umkehr angesichts dessen, dass die NATO-Staaten ihre Militärhaushalte drastisch erhöhen und selbst atomare Strategien wieder neu in den Fokus genommen werden? Pazifistische Bewegungen haben längst schon Strategien entwickelt und erprobt, die zeigen, wie ohne Waffengewalt Aggressionen abgeschüttelt werden können – denn ohne das Mitwirken einer Bevölkerung wird kein Aggressor letztlich ein Land längerfristig besetzen können.
Klaus Heidegger, Zum Weltfriedenstag 2025
(Fotocredit: Reinhold Sigl)