Von blechernen Bierkapseln im Altmetallcontainer

Meine Versuche, möglichst nachhaltig und klimabewusst zu handeln und zu leben, werden konterkariert durch das, was ich rund um mich tagtäglich erlebe. Obwohl – zum Glück! – die Preise für Benzin und Diesel immer noch im Vergleich zu den letzten Jahren hoch sind, scheint der Verkehr weder in der Stadt noch auf den Durchzugsstraßen zurückgegangen zu sein. Es wird an diesem ersten Septemberwochenende des Jahres 2022 wieder ein Stauwochenende auf der Autobahn geben. Stoßstange an Stoßstange bewegt sich ein zäher Fluss vom Süden Italiens bis hoch in den Norden Deutschlands. In Pakistan, so die Nachrichten, haben 30 Millionen Menschen aufgrund der Überschwemmungen ihr Hab und Gut verloren. Millionen Menschen, die keine Schuld an der Klimaveränderung tragen, werden Opfer davon. Kontrafaktisch zum Autowahn stehen meine Fahrräder im Tiefgaragenplatz dort, wo eigentlich ein Auto vorgesehen wäre. Solches besitze ich nicht. Mit meinen Packtaschen am Rad fahre ich zum Geschäft – oder besser: zum Supermarkt mit dem riesigen Parkplatz davor. Ohnmächtig bin ich dem Lärm der Autos ausgeliefert – gleichwie der Dauerberieselung mit Musik im Billa-Markt. Eigentlich sollte ich ihn deswegen boykottieren. Ebendort wähle ich das Brot, das mit einem -50%-Pickerl versehen ist, weil gerade das Ablaufdatum überschritten wurde. Ich kaufe es, nicht weil es um die Hälfte weniger kostet, sondern um es vor dem Wegwerfen zu retten – genauso wie die Milch, die oftmals dieses 50%-Pickerl hat. Am liebsten würde ich mehr dafür bezahlen, als weniger, weil mein Öko-Bewusstsein mir sagt: „Wieder ein Lebensmittel gerettet!“ Meine Einkaufschallenge ist jedes Mal, zumindest so plastikreduziert wie irgendwie möglich an der Kassa zu stehen. Die Wägen vor und hinter mir sind voll mit Plastik: Wasser in Plastikflaschen, die obendrein noch zu einem 6-er-Pack mit Plastik verschweißt sind, kleine Mengen Käse in Plastik, Fleisch in Plastik usw. usf. Mein 6er-Tragerl-Bier kommt aus Tirol. Die Bierkapseln werde ich wieder sammeln. Eine ordentliche Sammlung habe ich zuvor in den Altmetallcontainer geworfen, in den irgendein Umweltfrevler auch andere Dinge gewissenlos geworfen hat. Selbst die blecherne Bierkapsel, so klein sie ist, soll wieder als Metall eine weitere Verwendung finden. Nach dem Einkaufen: Ich öffne den Briefkasten in dem Haus, in dem mein momentanes Basecamp ist. Da ist kein Brief, der mich aus meinen traurig-kulturpessimistischen Gedanken etwas tröstend befreien könnte. Im Gegenteil: Ein Hauswurfprospekt wirbt für kerosinsteuerbefreite Flugreisen – dorthin fliegen, wo der Sommer immer bleibt. „Solange die Malediven nicht vom steigenden Meeresspiegel verschluckt sind …“, denke ich mir dazu. Möbelhausketten überbieten sich mit Versuchungen, das eigene Inventar möglichst mit neuen Möbeln auszutauschen. „Alle 10 Minuten stirbt unwiderruflich eine Tierart aus!“, las ich beim Scrollen auf einer Öko-Website. Während ich einkaufen war, waren es sechs. 150 werde es am heutigen Tag sein. Und Österreich wird in einem Baurausch weiterhin zubetoniert werden – im Ausmaß von täglich 20 Fußballfeldern. Auf das riesige Kirchendach in meiner nächsten Nähe ließe sich eine große Photovoltaikanlage bauen und die weitläufigen grünen Rasenflächen ringsum würden sich eignen für Wildblumenwiesen. Es wäre ein kleines Stück „Himmel“, von dem in den Kirchen ja so gerne geredet wird. Ich werde mir Zeit nehmen, hoch in die Berge hinauf zu gehen, wo der Wind die Tränen trocknet über den Zustand dieser Welt. Mein Herz wird sich nach Menschen sehnen, mit denen sich ein neues Zuhause und eine neue Welt bauen lässt

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