mit tränenvollen Augen
die Weite des Himmels sehen
im wortlosen Strahlen von Augen
in der Geschwätzigkeit von Welt
die Weisheit des Himmels erkennen
in aufmerksamen Worten
inmitten von irdischen Abwertungen
die Unbedingtheit des Himmels erleben
in wertschätzender Annahme
in den Begrenzungen des Daseins
die Unendlichkeit des Himmels spüren
in liebender Umarmung
klaus.h., 28.9.2022
Himmlisch-irdische Heimsuchungen
Viele Jahre lag das Kloster Heimsuchung Mariens auf meinem Weg zur Schule. Fragte ich jemanden im Umkreis dieser Gebäude mit einem Kloster, Kirche und vor allem einem weitläufigen landwirtschaftlichen Areal hinter dicken alten Steinmauern, welche Gemeinschaft sich dahinter verbirgt, so hätte ich sicher kaum eine passende Antwort bekommen. Zuletzt lebte nur mehr eine Handvoll altgewordener Schwestern des Ordens von der Heimsuchung Mariens in diesen Gebäuden. Gesehen habe ich in all den Jahren nie eine Schwester. Der Orden selbst wurde vom heiligen Franz von Sales und der heiligen Johanna Franziska von Chantal Anfang des 17. Jahrhunderts gegründet. Die ursprüngliche Intention des Ordens lag darin, aus dem Gebet heraus Arme, Kranke und Bedürftige daheim aufzusuchen, um sie zu unterstützen. Biblische Vorlage ist dabei die Geschichte aus dem Lukasevangelium, wo die schwangere Maria ihre Cousine Elisabeth besucht. Inzwischen sind die Schwestern ausgezogen und das große klösterliche Anwesen zwischen der Stadt Hall und Absam/Eichat ist in diözesaner Verwaltung und neues Leben ist eingezogen. Der Verein Emmaus hat hier seit zwei Jahren einen optimalen Ort gefunden für das Projekt „Solidarische Landwirtschaft Thurnfeld“. Ein kleiner Teil von einer 9 Hektar großen Fläche wird gemeinschaftlich genützt, um dort biologisches Gemüse anzubauen. Rund 80 Haushalte sind beteiligt, wenn es darum geht, dankbar die Bio-Produkte zu kaufen oder auch selbst für das Wachstum und die Ernte beizutragen. Der Verein Emmaus hat zugleich das Arbeitsspektrum für Menschen erweitert, die nach einer Suchterkrankung den Wiedereinstieg ins Berufsleben schaffen wollen.
In mehrfacher Hinsicht hat die Geschichte des Klosters bis in die Gegenwart hinein mit einer Kunstinstallation zu tun, die seit kurzem am Rande der großen Wiese zu finden ist. Die Spiegelskulptur der Haller Künstlerin Eva Schlegel ist so etwas wie eine Vorbotin für das geplante „Kulturhaus der Diözese“. Die einfache Skulptur ist ein Gerüst, auf dem waagrecht quadratische Spiegel sowohl den Himmel wie die Erde widerspiegeln. Ich denke an die biblische Heimsuchungsgeschichte, wo in dieser Begegnung zwischen Maria und Elisabeth sich der Himmel inmitten von einer Bedrohungssituation aufleuchtete; ich denke an die Geschichte des Ordens der Salesianerinnen und ihrem Bemühen, Menschen in irdischen Nöten heimzusuchen und so ein Stück Himmel erahnen zu lassen; ich denke an die Bio-Genossenschaftsinitiative heute und den Verein Emmaus – überall bemühen sich Menschen, dass Erde und Himmel nicht zwei getrennte Wirklichkeiten bleiben müssen.
Vorsichtig stelle ich mich auf einen der Spiegel, die am Boden sind. Vorsichtig, weil durch die Widerspiegelungen es scheinbar unbegrenzt in die Tiefe geht. Ich blicke nach oben in den Himmel – und wieder das gleiche Erleben, als blickte ich in eine Unendlichkeit, die doch von der Erde ihren Ausgangspunkt nimmt und sich nicht wirklich von der Erde wegbewegt. Während ich so die Wolken auf Erden sehe und die Erde in den Wolken, während sich vielfach der Himmel in unendliche Tiefe in die Erde sich gräbt und die Erde sich in der unendlichen Weite des Himmels verliert, erfahre ich mich als Wesen, das nach einem Zuhause sich sehnt mit dem Himmel auf Erden und verliere dabei scheinbar den Boden unter den Füßen mit Blick in die Tiefen des Himmels.
Klaus Heidegger, 28. 9. 2022