Man – das sind Leitmedien, die öffentliche Meinung, das Gerede, der beherrschende Geisteszustand und all dies verstärkend eine populistische Politik – gibt sich erschreckt und reagiert empört angesichts der gestiegenen Spritpreise. Man wünscht sich an der Tankstelle jene Zeiten aus dem Jahr 2020 herbei, als ein Liter Diesel je Liter noch unter einem Euro kostete und ein Liter Super knapp darüber. Man schimpft an der Tankstelle und verflucht nebenbei Putin & Co und vielleicht auch die Grünen, schließlich hilft ein Feindbild, um die Wut zu kanalisieren. Auf der anderen Seite des Atlantiks ist die Empörung nicht weniger groß und wählt bei den Kongresswahlen Trump & Co, für die Billigsprit amerikanische Freiheit signalisiert. Die Autobahnen und Landesstraßen sind hierzulande nicht weniger voll, seit sich die Spritpreise verdoppelten. Eine generelle Temporeduktion von 130 auf 100 auf Autobahnen, von 100 auf 80 auf Landesstraßen und 30 in Ortsgebieten ist kein Thema mehr. Das Politiker-Man scheut solche Maßnahmen wie der Teufel das Weihwasser, wobei es im wahrsten Sinn des sprichwörtlichen Wortes ein wenig den Teufel von Lärm und Emissionen eindämmen könnte. Man weiß zwar längst, dass eine Fahrt mit 130 statt mit 100 um 50 Prozent mehr Energieverbrauch nach sich zieht, genauso wie zwischen 80 und 100, ist aber nicht bereit, die physikalischen Grundgesetze von Luftwiderstand und Energieumsatz ins alltägliche Handeln zu integrieren. Im Regierungsprogramm der neuen Regierung Tirols regiert das „Man“ und wird auch Regie führen und ohne die Grünen in der Regierung hat es ein „Man“ wohl nun leichter.
Man gibt sich empört, wenn sich junge Menschen von „Extinction Now“ auf die Straße setzen und kurzzeitig eine Straße blockieren und sich dabei die Handflächen auf die Straße kleben, um die Zeit der Blockade zu verlängern. Man versteht nicht symbolische Aktionen, wenn zwei junge Frauen von „last generation“ auf das glasgeschützte Sonnenblumenbild von Van Gogh eine Suppe werfen, ohne es dabei aber in Gefahr zu bringen. Jene, die solches tun, wollten zeigen: Wenn es mit der Erderhitzung so weitergeht, wird es keine Generation mehr geben, die Schönheiten der Natur und Kunst wird bewundern können. Lieber will man diese Öko-Menschen hinter Gitter sehen als die Raser auf den Autobahnen.
In mir sitzt der Öko-Schock, wenn ich wie zuletzt – mit Rad und Öffis von Innsbruck bis auf den Gletscher und dann mit Touren-Ski – den Zustand des Gletschers sehe. Ein Factfinding in Sachen öffentlicher Verkehr und Zustand der Berge. Ein VVT-Ticket eröffnet unkompliziert Räume für das ganze Land und schafft dabei reisend ungeplant wertvolle Begegnungsmöglichkeiten an Haltestellen, in Bussen oder im Zug. Im Bus mit dem freundlichen Fahrer saßen zuletzt nur zwei Leute! In Prutz wird seit Jahren an einer gigantischen Unterführung gebaut, damit der Verkehr der Man-Menschen in Hinkunft noch flüssiger fließen kann und nicht wie bisher durch eine Ampel eingebremst wird.
Wenn ich mit dem Rad an einer Tankstelle vorbeifahre und den 2er bei den Preisschildern sehe, dann denke ich: Zumindest ginge es mit CO-2-Zuschlägen ein wenig in die richtige Richtung, wobei die Öko-Bepreisung immer noch – mit momentan 9 Cent pro Liter – minimal liegt angesichts der enormen Schäden, die durch die Emissionen aus dem Automobilverkehr angerichtet werden.
Mein in die Jahre gekommene Herd ist kaputt und man will mir gleich eine ganze Küche zum Schnäppchen-Preis verkaufen, dabei möchte ich nur den Herd reparieren lassen. Die Möbelhäuser überbieten sich in Werbeschlachten mit Billigpreisen und locken Kundschaften in ihre Tempel, wo ein Schweinsschnitzel nicht weniger kostet als ein Café in der Innenstadt.
Man wird sich nun wohl über meine Gedanken ärgern, mir sagen, ich hätte leicht reden, schließlich wohne ich privilegiert und müsse nicht zu irgendeiner Arbeit pendeln. Ich kenne dieses Argument gut von meinem Arbeitsplatz, der sich auch pendelnd so leicht mit Öffis oder Rad ganz oder teilweise erreichen lässt. Und es stimmt auch: Manche – und es sind nicht viele – sind auf ein Auto wirklich angewiesen. Man wird mir sagen, ich hätte keine kleinen Kinder mehr. Ich denke zurück, als wir als Familie noch kein Auto hatten aber zwei kleine Kinder, die vergnügt im Radanhänger waren, als ich sie bei jedem Wind und Wetter in die nahe Stadt in den Kindergarten brachte. Aber es stimmt auch: Ohne Auto wären für manche Menschen die täglichen Notwendigkeiten nicht möglich. Man wird mich als „Öko-Moralapostel“ wegschieben wollen. Ich bin dankbar manchen autofahrenden Menschen, wenn sie mich trotz meiner Zeilen nicht weniger mögen – jedenfalls mag ich sie nicht weniger, wenn sie mit dem Auto unterwegs sind, weil sie ihre guten Gründe haben! Manchmal komme ich selbst in Situationen, wo ich dankbar für eine Autofahrt bin, um ein Bergziel zu erreichen, und insgeheim hoffe, dass das Auto nicht schneller als 100/80/30 fährt.
Der Zustand unserer Welt, die auf dem „Highway to hell“ ist – so der UN-Generalsekretär der Vereinten Nationen bei der Eröffnungsrede bei der Weltklimakonferenz in Sharm el Sheik, verträgt jedenfalls keine halben Lösungen mehr, sondern fordert zu mehr Radikalität. Es brauche dafür auch „Verzicht“, wie Helga Kromp-Kolb, Österreichs prominenteste Klimafrau, immer wieder betont. Das heißt aber nicht, dass wir keinen „Spaß“ haben dürfen, dass wir daheim herumhocken müssen und auf Erlebnisse verzichten müssen, die der Seele und dem Körper wirklich guttun. Wir dürfen uns freuen an der Schönheit der Welt, die wir auch für kommende Generationen beschützen wollen – und vor allem an Menschen, die uns dabei begleiten.
Klaus Heidegger, 10. 11. 2022, am dritten Tag der Weltklimakonferenz