Der vom Tal aus gesehen unscheinbare Gipfel ist so etwas wie ein Zwischengipfel – zwischen der Thaurer Jochspitze und der Rumer Spitze. Als ein Zwischen wurde er auch von mir bislang übersehen, obwohl da ein Kreuz steht und er wirklich wie ein richtiger Gipfel ist. Auf ein Zwischen machen uns manchmal andere Menschen aufmerksam. So kam auch der Anstoß, gemeinsam eine Tour dorthin zu machen, von außen. Für Skitouren liegt jetzt noch zu wenig Schnee, für höhere Bergtouren liegt zu viel Schnee auf den Felsen. Zwischen eben.
Mitte November: Die tiefstehende Sonne schafft es kaum mehr, den Tag ganz zum Tag zu machen und ausreichend mit Licht und mit Wärme zu füllen. Die Stunden der Novembertage wirken dann wie eine Zwischenzeit von Tag und von Nacht, die jetzt so tief in den Tag hineinreicht, am Morgen und am Abend, dass die Tage zu kurz und die Nächte zu lang geworden sind, wie manchmal auch im Leben, wenn wir den Tag von der Nacht abringen und Angst davor haben, dass ein Nachtsein über das Tagsein siegen könnte.
Mitte November: Es ist die Zwischenzeit vom Ende des alten Jahres in ein neues Jahr. Das Alte will schon nicht mehr sein, das Neue noch nicht da. Kirchlich gesehen ist heute der letzte Sonntag im Kirchenjahr und in einer Woche beginnt ein neues. Es ist die Zeit zwischen Abschied und Neubeginn, in der die Seele in der Zwischenzeit nach Halt sucht im Ungewissen. Beim Weggehen höre ich die Sonntagsglocken, die in irgendeinem der Seelsorgeräume-Kirchen zum Gottesdienst einladen. „Christus ist König“, wird es heißen. Eine neue Zeit mit einer neuen Regentschaft soll beginnen, nicht mit brutaler Macht und Gewalt, sondern mit Hingabe und Liebe. „Noch heute …“, sagt der Sterbende am Kreuz, noch heute soll dies beginnen, so die Worte im Sonntagsevangelium. Da liegt keine Vertröstung drinnen auf ein Jenseits. Wer regiert die Welt, wer regiert mich, frage ich mich beim Klang der Glocken – und wo erfahre ich dieses „noch heute“, wenn ein Gestern nicht mehr trägt und ein Morgen es nicht gibt?
Unser Startpunkt ist in Rum. Mystisch wirken die Wälder und wurzeligen Steige im Nebel hinauf zur Rumer Alm. Rund 200 Höhenmeter darüber beginnen dann die verschneiten Zonen, doch auf den Steigen ist es weniger rutschig, als ich befürchtet hatte. Für den Abstieg haben wir sicherheitshalber die Grödel dabei. Der Wind und die Luftdruckunterschiede bieten ein Spektakel mit den dicken, schneeweißen Wolken, zwischen denen – und wieder ein zwischen – die Sonne und der tiefblaue Winterhimmel manchmal hervorkommen. Vom Parkplatz, wo mein Rad steht, bis zum Gipfel sind es rund 8 Kilometer und 1500 Höhenmeter. Das Erlebnis einer großartigen Berglandschaft, von Steigen zwischen (!) den leicht angeschneiten Latschen, Gipfelflanken und der Erfahrung von Gemeinschaft und Freundschaft: es sind Momente, die helfen, im Zwischensein Halt zu finden.