20. Jänner. Es ist der Gedenktag für den Hl. Sebastian, der zugleich eine Einheit unter den christlichen Kirchen zum Ausdruck bringt. Katholische, orthodoxe und evangelische Kirchen gedenken gemeinsam an das große Vorbild aus der Frühzeit des Christentums. Er war Opfer der Christenverfolgung. Die Organisation OpenDoors spricht davon, dass gegenwärtig 360 Millionen Christen unter Verfolgung leiden. Es ist erst eine Woche her, seit in Afrika wieder während eines Gottesdienstes in einer christlichen Kirche Gläubige Opfer eines Anschlags einer islamistischen Gruppierung wurden. Der Gedenktag an den Hl. Sebastian und sein Leiden ist wie eine Aufforderung, bewusst hinzuschauen auf jene Orte, wo Menschen wegen ihres Glaubens verurteilt und verfolgt werden: Auf die Inhaftierten in den Gefängnissen im Iran und der Türkei, auf die Christen und Muslime, die von islamistischen Banden in Sub-Sahara terrorisiert werden. Sebastian heute wird nicht von Pfeilen durchbohrt, sondern von Waffen aus europäischer Produktion.
Unter der Schar der Heiligen der Christenheit gibt es einige, die besonders hervorragen. Der Hl. Sebastian zählt jedenfalls dazu. Bedeutsame Städte – wie San Sebastian – wurden nach ihm benannt. In den meisten Kirchen hierzulande gibt es eine Sebastiandarstellung. Seit dem 16. Jahrhundert wird Sebastian als nackter Jüngling dargestellt, der von Pfeilen durchbohrt wird. Was hat den Hl. Sebastian über die Jahrhunderte so populär gemacht?
Da ist erstens seine mutige und konsequente Haltung. Er will nicht länger Soldat des Kaisers sein, will nicht länger im Dienst des Tötens und des Eroberns sein. Sebastian zählt zu jenen Männern, die als Konsequenz aus der christlichen Nachfolge den Kriegsdienst und den Eid auf den Kaiser verweigerten. Der Märtyrer Sebastian passt daher wohl vielmehr als Patron der Kriegsdienstverweigerer, als als Patron der Soldaten und der Militärs. In einer Welt voller Kriege tut es daher gut, Sebastian als ermutigendes Vorbild zu sehen, das aus einer Gewissenshaltung heraus sich nicht an die verhängnisvollen Spiralen von Gewalt und Gegengewalt wirft. Freilich ist in diesem Kontext mit Blick auf die Sebastiandarstellungen auch Vorsicht geboten. Sie zeigen in ihrer typischen Ikonographie den Heiligen meist als von Pfeilen durchbohrten jungen Mann. Die Gefahr einer Leidensverherrlichung ist gegeben. Dagegen muss gesagt werden: Das hat so gar nichts mit Masochismus zu tun. Sebastian wollte nicht leiden, wollte nicht die Pfeile – er wollte das Leben und die Freude.
Die Sebastiandarstellungen weisen uns noch auf eine zweite Dimension hin. Die Darstellungen des Sebastian auf Bildern oder als Statuen zeigen ihn meist als nackten Jüngling. Die Nacktheit ist nicht zufällig gewählt. In den kirchengeschichtlichen Epochen, als Nacktheit tabuisiert wurde, als Erotik verteufelt wurde, als Sexualität – und ganz besonders Homosexualität – als negativ beurteilt wurde, gerade in dieser Zeit unterliefen die Sebastiandarstellungen die kirchlich-theologischen Verzerrungen. Die Schönheit und Erotik des menschlichen Körpers konnte sich gegen jede unbiblische Prüderie im Kirchenraum behaupten. Auch das kann eine Ansage sein: Nie mehr darf der Reichtum der Sexualität aus den religiösen Zusammenhängen gestrichen werden. Das heißt heute auch ganz aktuell: nie mehr dürfen Frauen gezwungen werden, Kopftücher zu tragen. Erotik in all ihren Spielformen sind göttliches Geschenk.
Zuletzt sei noch auf einen dritten Aspekt in der Sebastiantradition hingewiesen, der heute kaum mehr in den Blick genommen wird. Sebastian wird Opfer männlich-kriegerischer Gewalt. Die Legenden erzählen – wie heute so manche Saga in den Filmen – aber auch von Rettung. Sebastian kann sich nicht alleine die Pfeile aus dem Körper reißen und kann sich nicht alleine die Wunden heilen. Er bedarf der Hilfe. „I need your help …“, so heißt die Schlüsselstelle im Film Avatar, als Jake in seiner Existenz bedroht wird. Neytiri liebt Jake und sie überspringt die Grenzen und sie Jake. In der Legende des Hl. Sebastian ist es die Heilige Irene, die den Durchbohrten zu sich nach Hause nimmt, um ihn wieder gesund zu pflegen. So wie dSebastian durch die heilenden Hände der Irene wieder neu zum Leben fand, so können wir selbst immer wieder auch durch die liebende und heilende Gegenwärtigkeit von Menschen „zum Leben erweckt“ werden.
ganz weit war er oben
am Hof des mächtigen Kaisers
nicht eine glänzende Karriere war sein Ziel
nur Christus wollte er dienen
Sebastian entschied sich für ihn
so können wir leben:
zu Christus uns bekennen
in Nöten helfen
die Kranken heilen
die Träume nicht verstecken
nicht im Geheimen wollte er leben
öffentlich bekannte er seinen Glauben
nichts konnte ihn erschrecken
die Macht des Kaisers ihn nicht abhalten
Sebastian folgte Jesus
nicht allein hat er gekämpft
christliche Gemeinschaft hat er erlebt
nicht mehr mit dem Schwert
sondern mit offenen Händen
Sebastian lebte wie Jesus
die Pfeile konnten ihn nicht töten
Irene sah seine Wunden
Irene hat ihn gepflegt
Irene weckte sein Leben
so lebt Sebastian noch immer
Nothelfer wird er über Jahrhunderte genannt
in Krankheit beten wir heute
um Rücksicht und Achtsamkeit
um uns und andere zu schützen
um Kraft und Mittel die Kranken zu pflegen
Klaus.heidegger, 20. Jänner 2023, Festtag des Hl. Sebastian