Und wieder beginne ich mit jenem Satz, mit dem so viele meiner Rückblicke auf Bergtouren beginnen. Die Berge zeigen sich – gerade jetzt in den Übergangszeiten zwischen Winter und Sommer – jedes Mal neu, bieten jedes Mal neue Einblicke und Ausblicke, jedes Mal andere Erfahrungen mit Wind und Wetter und deswegen vor allem auch mit dem Element Schnee – und vor allem gilt auch diesmal wieder: Inmitten der Einsamkeit der Bergwelt ist die Erfahrung von gemeinsamem Unterwegssein besonders wertvoll.
Unser Ziel ist wetterangepasst und zählt zu den Klassikern im hinteren Schmirntal. Die Höllscharte. In der einschlägigen Literatur gilt sie als Königstour. Nach den Traumbedingungen für Skitouren in den letzten Tagen ist das Wetter diesmal anders geworden. Zum Glück, denke ich mir wieder mit Blick auf die aperen Hänge, die süd- und westseitig bis in die höchsten Höhen schneefrei geblieben sind. Hoffentlich wird es Niederschläge geben. Vom Norden her werden schon dick-schwarze Wolken hineingedrängt und es ist gut, diesmal ein Ziel weiter im Süden in den Zillertaler Alpen anzupeilen. Ausgangsort ist Schmirn im Ortsteil Toldern (1.520 m). Noch zeigt sich das stolze Olperer-Fußstein-Massiv ganz hinten im Wildlahnertal zwischen den Wolken. Ich kenne die Strecke und meine Begleiterin und mein Begleiter kennen sie noch besser. An diesem Tag mit dem bedeckten Himmel werden wir wohl alleine durch das verlassene Tal gehen. Die Schneedecke reicht ostseitig auf dem Almweg bis zur Isse-Alm noch bis zum Parkplatz hinunter. Entlang der Hohen Warte gibt es in diesem Winter kaum Lawinenkegel. Es geht über ein paar Geländestufen durch das weite Tal hinauf. Die Gletschernase vom Olperer hat selbst in diesem Winter blankes Eis. Wir biegen nach links ab. Der Schnee ist griffig und für mein Gefühl von Körper und Seele sind wir zu schnell auf der Höllscharte auf 2999 m. Mein Respekt vor dem bis zu 35 Grad-Steilhang war bei diesen Bedingungen nicht berechtigt. Ich habe zwar Steigeisen und Pickel mit, trotzdem gehen wir nicht auf den Gipfel des Kleinen Kaserer. Nebel vermischt mit ein paar spärlichen Schneeflocken zieht auf. Auf der anderen Seite ist das Skigebiet des Zillertaler Gletschers. Die Einsamkeit des Wildlahnertales steht so im Kontrast zur zugerichteten Landschaft auf der anderen Seite. Die Abfahrt bietet Spannung: Wie lassen sich Schwünge so setzen, dass man nicht durch den Harschdeckel bricht? Zugleich sind diffuse Lichtverhältnisse. Aber das gehört eben auch zu Skitouren, wo es nicht immer nur Pulverschnee geben kann. Dafür freue ich mich umso mehr über das einsame Tal, durch das irgendwann einmal auch ein Gletscher geronnen ist, wie man unschwer an den Seitenmoränen sehen kann. Pieps macht das LVS-Gerät am Ende der Tour bei der Kontrollstelle über die Brücke des Wildlahnerbaches.