Von einem vergangenen Krieg und heldenhaften Kämpfen
Es ist ein Frühlingssonntagmorgen mit Himmelsschlüsseln am Wegrand und strahlendem Weiß oberhalb der Waldgrenze. Statt mit den Tourenski bin ich heute mit dem Gravelbike auf der Via Claudia unterwegs. Seit kurzem wurde diese Route als besonderer Fernradweg ausgebaut, der von Deutschland über den Fernpass bis an die Adria führt. Bei Pontlatz beginnt das Obere Gericht. Das Tal weitet sich und gibt den Blick auf den imposanten Kaunergrat im Südosten und den Glockturmkamm im Südwesten frei. An dieser Engstelle des Oberen Inntales beginnt das Obere Gericht und das Dorf meiner Kindheit und meiner Vorfahren. Ein Denkmal auf der linksseitigen Flusseite des Inn bei der Pontlatzbrücke erinnert an die legendären Schlachten, in denen die bayrischen Truppen erstmals 1703 beim Spanischen Erbfolgekrieg und dann wieder 1809 bei den Napoleonischen Kriegen von den Tiroler Schützen „besiegt“ worden sind. Der riesige Bronzeadler mit mächtig ausgebreiteten Schwingen und einer Fahne in seinen Fängen erzählt von vergangenen Schlachten, die zum Mythos für das wehrhafte Tirol wurden. Es waren Kriege, die eine starke religiöse Umkleidung hatten. Die „heilige Maria“, die hochverehrte Mutter Gottes, soll stets hilfreich den Kämpfenden zur Seite gestanden sein. So ist auch auf dem Steinsockel über dem Bronzeadler eine Madonnendarstellung. Ich fahre auf der alten Landstraße rund 200 Meter entlang des aufgestauten Inn weiter und bin bei der Tullakapelle. Auch hier wieder das Narrativ von Maria, die 1809 zur siegreichen Schlacht gegen bayrische und französische Soldaten geholfen habe. Dabei soll sich der Pfarrer von Ladis als besonders schießwütig hervorgetan haben. Selbst der Hl. Martin, Patron der Kirchengemeinde von Ladis, soll laut einer legendarischen Überlieferung den Kämpfenden hoch zu Ross zur Seite gestanden sein. Ist die Geschichte des Hl. Martin aber nicht gerade eine Geschichte eines Mannes, der den Dienst in der Armee verweigerte, der in der Nachfolge Jesu vom Schlachtross stieg und die Waffen weglegte? Die pazifistische Spur findet sich nicht auf den alten Denkmälern. Eine Inschrift in der Tullakapelle lautet: „Hier streckten am 9. August 1809 bei tausend Mann feindlicher Truppen vor dem Landsturm des Gerichtes Landeck die Waffen. Ehre den Siegern!“
Das „Nairz-Loch“
Wohl niemand kennt jenen Ort besser als Werner Thöny, wo sich in den letzten Kriegsmonaten 1944/45 eine andere Geschichte zutrug. Es ist die Geschichte von Joachim Nairz, eines Mannes, den ich irgendwie als meinen „Großonkel“ bezeichnen könnte. Jedenfalls war er der Taufpate meines Vaters. Abgesehen von verwandtschaftlichen Konstrukten fühle ich mich als Pazifist jedenfalls mit dem Wehrmachtsdeserteur verbunden. Werner führt uns in die Steilabbrüche oberhalb von Pontlatz. Ohne ihn wäre die Höhle, in der sich Joachim Nairz nach seiner Desertion versteckt hielt, wohl kaum auffindbar. In der Wildnis von Bäumen, die über den Abgründen wachsen, zwischen den Felsblöcken des Bündnerschiefers, führt er uns zur Höhle, und es ist, als wäre Joachim Nairz nicht schon 1945 hier ausgezogen. Durch einen verschließbaren Schlitz kommt Licht in die Höhle, die groß genug ist für eine Schlafstelle und eine Sitzmöglichkeit. Werner erklärt uns, wie Joachim das Wasser mit Steinen auffing, um Trinkwasser zu gewinnen. Auf der anderen Seite war der schmale Eingang. Der Zugang ist inzwischen verändert, weil die Höhle etwas eingebrochen ist. Die Bretter, mit denen sich der Geflüchtete wohnlich einrichtete, ein Regal bastelte und die anderen Notwendigkeiten gestaltete, sind gut erhalten. Selbst das Brennholz ist noch so gestapelt, als würde es der Fahnenflüchtige noch benützen. Ein morsche Schuhsole findet sich unter Glasscherben und kleinen Schaltäfelchen. Wurde der Schuh von meinem Opa genäht, frage ich mich. Es hätte sein können. Mein Opa war ja Schuster damals und mit Joachim Nairz verwandtschaftlich verbunden. In der Einstellung zum Vernichtungskrieg der Wehrmacht dürften sie sich aber wohl nicht verstanden haben. Aber darüber haben wir leider nie sprechen können. Obwohl ich seit meiner Jugendzeit an Friedens- und Widerstandsgeschichten interessiert bin, war es nie ein Thema in unseren Gesprächen.
Die Geschichte der Desertion
Roman Kneringer war einer meiner Volksschullehrer. Am besten kann ich mich erinnern, wie er als leidenschaftlicher Kettenraucher am Lehrerpult saß und an seinen Zigaretten zog, während er uns in die Logik des 1×1 und die Welt des ABC ein“weihte“. Hinter ihm hing ein „Heiligen“-Bild von Andreas Hofer neben dem Kruzifix. Manchmal konnte ich ihm – dem Herrn Oberlehrer und nicht dem Hofer – mit einer 5-Schilling-Münze eine Packung „Smart“ kaufen und zu Weihnachten bekam er von meinen Eltern eine ganze Stange geschenkt. Das war nicht Bestechung, damit ich ins Gymnasium gehen konnte, weil ich die Aufnahmeprüfung, auf die er uns eigens vorbereitete, problemlos bestanden hatte. Roman Kneringer jedenfalls wohnte im Ortsteil Entbruck nur knapp oberhalb des Hauses, in dem Joachim Nairz nach seiner Desertion etwas außerhalb vom Dorf und unterhalb der Burg Laudegg wohnte und in seiner Schilderwerkstatt arbeitete. Außerhalb des Dorfes – es passte symbolträchtig dazu, dass seine Fahnenflucht wohl nicht zu den Ritualen im Dorf passte und zu den Verehrungen, die die Kriegshelden der Wehrmacht als Gefallene bekamen. Ihnen wurde auch in Prutz ein großes Denkmal errichtet. Die Namen von Deserteuren finden sich nicht darauf. Man kennt auch ihre Geschichten wohl nicht. Heute gibt es im Prutzer Friedhof nichts mehr, das an Joachim Nairz erinnert. Roman Kneringer hatte nach seiner Pensionierung aber ein Interesse, die Geschichte seines Fast-Nachbarn festzuhalten.
Die Biographie von Joachim Nairz beginnt in Grist, einem Bergweiler in der Gemeinde Zams im ersten Jahr des 20. Jahrhunderts. Es ist der Ort, in dem meine Oma aufwuchs, die eine Cousine von Joachim Nairz war. Als Bergbauernkind war er dann mit 12 Jahren – wie viele seiner Zeit – gezwungen, als „Hütenkind“ ins Schwabenland zu gehen. In Friedrichshafen verkaufte er seine Arbeitskraft am Kindermarkt. Es war ein Leben voller Entbehrungen, voll von Rückschlägen, voll schwerer Arbeit, zugleich voller Erfahrungen. 1943 kam er zur Gendarmerie und er sollte am Posten in Ried die „Schwarzschlächter“ und „Schwarzarbeiter“ aufspüren. Das tat er auch, wobei laut seiner Erzählungen er die Strafmandate nur an bekannte Nazis austeilte, während er Kritiker des Regimes unbehelligt ließ. Seine Bemerkung mit anschließender Vernaderung durch einen fanatischen Nazi, dass die Amerikaner den Krieg gewinnen würden, brachte ihm eine Versetzung ins Lager Reichenau. Was er dort erlebte, dürfte ihn wohl endgültig zu einem Widerständler gemacht haben. Er erzählte Kneringer aus dem Lager in der Reichenau: „Sträflinge mussten mit leerem Magen, im Winter mit Sandalen, die sie mit Papier umwickelt hatten, schwer arbeiten. Ein nicht mehr arbeitsfähiger Arbeiter wurde auf einen Lastwagen geworfen und totgetrampelt. Ein Jude, ein großer hungriger Bursche, hatte die Jauchewürmer aus der Abortgrube geholt und diese verzehrt wie Zuckerln. Sträflinge wurden von der SS als Zielscheiben benutzt, von Hunden zerfetzt, in Arrestzellen totgefroren.“ Wegen eines Missgeschicks sollte Joachim Nairz dann aber für den Kriegsdienst an der Jugoslawienfront eingesetzt werden. Hier beginnt die eigentliche Desertionsgeschichte.
Er erbat sich noch einen kurzen Heimaturlaub und entwickelte dann einen strategisch genauen Plan für seine Desertion. Frühmorgens am 5. Juni 1944 fuhr er mit dem Rad von Prutz nach Landeck. In seinem Gepäck hatte er eine Schnapsflasche und ein doppeltes Gewand. Der Brückenwache bei der Pontlatzerbrücke bot er noch einen Schnaps an und tat selbst so, als sei er beschwipst, und sagte den Wachebeamten, es sei ihm nicht gut. Beim Neuen Zoll – einer Stelle wo es tief in den Inn hinabgeht, warf er dann Rad, Rucksack, Gewand und Dienstmütze mit eingesticktem Namen hin, streute dort Salz und Pfeffer aus, damit Spürhunde ihn nicht finden könnten, und ging hinauf auf die Höhe bei Niedergallmigg, um die fingierte Unfallsstelle zu beobachten. Alle glaubten, dass er tatsächlich in den Inn gefallen sei.
Im Gespräch mit Roman Kneringer hat Joachim dann sein Leben beschrieben, das 1987 wie folgt zu Papier gebracht worden ist: „Einige hundert Meter watete ich durch steiles Gelände einem Bach entlang, besser gesagt, im Bach aufwärts, wieder deswegen, um eventuell verfolgenden Hunden die Spur zu nehmen. Endlich gelangte ich zu der mir bekannten Höhle, in der ich 5 Tage weniger als ein Jahr verbrachte. Kirchtag hatte ich natürlich keinen. Eine Frau aus Niedergallmigg versorgte mich mit den allerwichtigsten Lebensmitteln, oft auf Umwegen und in Lebensgefahr; im Winter natürlich überhaupt nicht, denn dort hätte man ja ihre Spuren im Schnee gesehen. Nur einmal am Tag, in der Nacht (meist um Mitternacht) konnte ich kochen, da konnte man den Rauch nicht so gut sehen, auch hatte ich Lebensmittelmangel. Ich kam mir vor wie ein Jagdwild. Ich schreckte auf, wenn ein Hase oder ein Reh um die Wege war. Wie oft verfluchte ich die Hitlerbrut! Oft dachte ich an die Soldaten in den Schützengräben, in Dreck und Angst, und war dann wieder froh, ruhig schlafen zu können. Auch konnte ich die Einschläge der Bomben in Innsbruck oder in München in meiner Höhle wahrnehmen. Im Winter war es besonders schlimm. Etwas Holz hatte ich mir im Herbst zurechtgerichtet. Im Winter durfte ich die Höhle wegen der Spuren nur in dringendsten Fällen verlassen. Dann musste ich Schnee sieben, um die Spuren zu verwischen. Vier Monate sah ich keinen Menschen. Die Kartoffeln, etwas 15 kg, waren gefroren, dass sie klingelten wie Nüsse. Brot gab es keines. In der Höhle war es meist kalt, zentimeterdick war das Eis an den Wänden, die Schlafstelle war nass. Einmal ging es mir besonders nahe: Ein Jäger ist durch das Verhalten seines Hundes auf die Höhle aufmerksam geworden und ruft beim Einschluff herunter: ‚Ist da jemand drunten?‘ Natürlich habe ich mich nicht gerührt. Der oder die Jäger war(en) während des Winters noch zweimal hier um nachzuschauen. Einer sagte: ‚Da hat sich jemand für den Krieg ein Fluchtloch, ein Versteck hergerichtet für alle Fälle.‘ Ich dachte mir: Ihr solltet wissen, dass da schon einer drinnnen steckt. Ich musste mich daraufhin tiefer eingraben, noch fester verbarrikadieren, das Rauchloch verlegen, mehrere Fluchtausgänge herrichten. Drei Tage lang getraute ich mir kein Feuer zu machen. Als ich nach drei Tagen auf den Locus musste, nahm ich einen Sack mit, schöpfte ich voll Schnee, dann hatte ich wieder für drei Tage Wasser und verwischte die Spuren. Meine Beschäftigung bei Tage war das Beten von 12 Rosenkränzen. Es hatte auch geholfen. Als dann gegen Ende des ‚Tausendjährigen Reiches‘ ein Offizier und eine Mannschaft kamen, um die Pontlatzbrücke zu sprengen, konnte ich es mitbekommen, wie Widerständler dem Offizier ins Knie schossen; er ist dem Vernehmen nach daran gestorben. … Wenige Tage später sah ich dann von meinem Standort aus, wie Amerikaner mit Autos, die aussahen wie Schiffe, dem Dorf Prutz zufuhren. Auch konnte ich mit dem Fernglas sehen, dass die Fahrzeuge mit Sternen versehen waren. ‚Jetzt bist du gerettet!‘ dachte ich mir. Aber es war noch nicht so weit. Es waren noch zu viele SS-ler im Dorf, zwar entwaffnet, aber immer noch gefährlich. …“
Nach der Befreiung
Joachim Nairz ist nicht wie einige andere Deserteure aus dem Oberen Gericht in die Schweiz geflüchtet. Das hätte seine Frau gefährdet. Die alten SS-ler im Dorf wollten beim Bürgermeister seine Verhaftung erwirken, der ihn aber beschützte. Nairz wurde von den Amerikanern als Schildermaler gebraucht. Seine Stellung hat er nicht benützt, um alte Nazis zu verpetzen. Zur Gendarmerie ist er nicht mehr gegangen. Als die Schützenkompanie Prutz-Faggen die Namen der Wohltäter der Kompanie am Fahnenband einstickte, wurde sein Namen abgelehnt. Diese „Ehre“ sollte ein Deserteur nicht bekommen.
Meine Schwester arbeitet als Historikerin an der Universität Innsbruck. Sie kennt die Hintergründe besser und kennt die Quellen. Mit ihr gehe ich nach dem Höhlenbesuch noch zu einer kleinen Kapelle, die Joachim Nairz unweit seines Wohnhauses als Dank eigenhändig errichtete. Die Mauern der Kapelle sind der ehemalige Pulverturm. Aus einem Depot für tödliches Schießpulver hat er eine Gebetsstätte errichtet. Das Gebetsschild, das sich dort findet, ist aus seiner Handwerkskunst und entspricht dem Glauben der damaligen Zeit, die von einer Angst vor der Hölle gekennzeichnet war. Die Kriege in Vergangenheit und Gegenwart zeigen, dass es diese Höllenerfahrungen wirklich gibt. Das Leben von Joachim Nairz zeigt aber auch, dass es eine Auferstehung durch widerständische Menschen geben kann.
Joachim Nairz im Kontext der historischen Forschung
Peter Pirker erforscht seit vielen Jahren die Geschichte der Desertion in Tirol. Sein Interesse an der Höhle bot auch mir die Gelegenheit, diese mit ihm, einem Fotografen, meiner Historikerin-Schwester und unter der ortskundigen Führung von Werner Thöny zu besuchen. Der Historiker Peter Pirker von der Universität Innsbruck hat unter anderem zur Geschichte der Deserteure vom Vomper Loch gearbeitet. Diese ist mir besonders vertraut geworden. Joachim Nairz war kein Einzelfall. Desertion in den verschiedensten Formen galt für die Nazis als eines der schlimmsten Delikte und wurde von der Wehrmachtsjustiz mit dem Tod bestraft. Eine Untersuchung von Peter Pirker gibt eine dokumentierte Zahl von 528 Deserteuren für Tirol an, wovon 51 hingerichtet worden sind. Peter Pirker dazu: „Generell ist festzuhalten, dass Deserteure innerhalb des Deutschen Reiches auch in diesem Gebiet eine sehr kleine Minderheit bildeten. Geht man von etwa 93.000 im Reichsgau Tirol und Vorarlberg einberufenen Männer aus und schätzt die Zahl der Deserteure basierend auf der oben genannten Zahl von 718 auf etwa 1.0000, lag ihr Anteil knapp über der Ein-Prozent-Marke.“ Das meiste, was Pirker in seinem Artikel zur Desertion aufzeigt, trifft auf Joachim Nairz zu, beispielsweise das Fakt, dass Deserteure nicht in andere Länder fliehen mussten, sondern auf eine gewisse lokale Solidarität aufbauen konnten, die ihnen Überlebensmöglichkeiten in Verstecksituationen ermöglichte.
Kriegsdienstverweigerung 2023
Und heute im Jahr 2023: Krieg in der Ukraine. Es gibt mehr als 150.000 russische Militärdienstpflichtige und Deserteure, die den Angriffskrieg ablehnen. Schätzungsweise 22.000 belarussische Militärdienstpflichtige haben ihr Land verlassen, weil sie sich nicht am Krieg in der Ukraine beteiligen wollen. Sie alle müssen wegen ihrer Haltung gegen den Krieg eine mehrjährige Verfolgung befürchten. Die Ukraine hat das Recht auf Kriegsdienstverweigerung ausgesetzt und die Grenze für Männer zwischen 18 und 60 Jahren geschlossen. Mehr als 170.000 Männer haben sich der Kriegsbeteiligung in der Ukraine entzogen und sind ins Ausland geflohen. In der Ukraine wurden bereits mehrere Kriegsdienstverweigerer zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Verweigerer halten sich seit vielen Monaten irgendwo versteckt, meist in irgendwelchen Wohnungen, die sie nicht verlassen können und wo sie auf die Solidarität von Menschen bauen können, die sie nicht verraten. Desertion ist heute wie auch damals wohl eine der besten Maßnahmen, um Kriege zum Erlahmen zu bringen. Wären es doch viel viel mehr. Das Beispiel von Joachim Nairz ermutigt dazu.
Religiöse Hintergründe
Was mich als Theologe besonders interessieren würde: Welche Rolle spielte beispielsweise für Joachim Nairz die Religion, das Eingebundensein – vor allem was Tirol betrifft – in die katholische Kirche? Die veröffentlichten Forschungen geben dazu keine expliziten Hinweise. Allerdings hat mich bei Joachim Nairz beeindruckt, wie er im Gespräch mit Roman Kneringer angab, dass ihm das Rosenkranzbeten half, in der Höhle zu überleben, und wie er dann als Dank die Pulverturmkapelle selbsthändig erbaute.
Desertion als Widerstand
von den Fahnen sind sie geflüchtet
die Todesstrafe drohte ihnen
von den Armeen sind sie desertiert
von Kettenhunden wurden sie gejagt
von den Einheiten haben sie sich entfernt
Höhlen gaben ihnen Schutz
wenige Mutige ließen sie nicht im Stich
sie wurden gejagt wie Wild
Befehle zu töten haben sie verweigert
von Gerichten wurden sie verurteilt
ach wären es doch viel mehr
es gäbe keine Kriege mehr
als Verräter wurden sie beschimpft
Kameradenschweine wurden sie genannt
mit Nachteilen hatten sie zu rechnen
ihre Frauen, Kinder und Verwandte wurden beschämt
kein Denkmal wurde ihnen errichtet
Urteile blieben noch Jahrzehnte rechtswirksam
Deserteure hatten es nie leicht
ach wären es doch viel mehr
es gäbe keine Kriege mehr
Klaus Heidegger, 24.4.2022
Quellen: Peter Pirker (2022): Deserteure in den Alpen. Vermessungen von Fluchten aus der Wehrmacht, in: zeitgeschichte 49. Jahrgang, Heft 4 (2022); unveröff. Manuskript (1987) aus dem Archiv A. Maislinger von Roman Kneringer über Joachim Nairz.