Sanft schlängelt sich eine Landstraße zwischen den sanften Hügeln. Follina mit dem großen Zisterzienskloster hoch oben am Tal liegt hinter uns. Jeder Flecken Erde scheint nun für die Weinreben genützt zu werden, die sich wellenförmig über die Landschaft ziehen. Die Reihen der Rebstöcke folgen der Struktur der Natur. In dieser Jahreszeit leuchten sie besonders grün. Wir kommen auf der Prosecco-Straße, die man wohl nur mit Rad benützen dürfte, um sie ganz zu genießen, nach Prosecco. Als Nicht-Weintrinker wusste ich bislang nicht, dass sich der Name „Prosecco“ auf ein kleines Dorf in der Region Friaul-Julisch Venetien bezieht. Auf der Fahrt zurück von Triest Richtung Heimat wird mein Nichtwissen über diesen Schaumwein geschmackvoll und sinnenfällig aufgehoben. Bei einem Weinbauern können wir das prickelnde Getränk kosten, das mein Freund besonders schätzt. Wir sitzen mit einer kleinen Flasche dann auf einem der Hügel. Ein Gutsbesitzer hat sein Lokal als „L‘Osteria senz‘ Oste“ – „Osteria ohne Wirt“ ausgewiesen. Am Eingang des Weingartens, der sich wie hier typisch steil auf einem Hügel terrassenförmig hinaufzieht, darf man sich selbst bedienen und das Geld für Käse, Brot und natürlich Prosecco-Flaschen in eine Kasse werfen. Oben am Hügel sind Tische und Stühle und man kann dort essen und trinken – natürlich Prosecco – und die Gedanken können mit den ewig langen Weinrebenstöcken wellengleiten. Wir philosophieren darüber, was „Genuss“ bedeutet. Weit unten fließt der Piave in einem breiten Talbecken in Richtung der nahen Adria. Ausnahmsweise trinke ich einmal vor Sonnenuntergang einen Schluck Alkohol – Prosecco-Ausnahme. Die lieblichen Prosecco-Hügel gelten inzwischen als UNESCO-Weltkulturerbe. Es fällt nicht schwer sich vorzustellen, wie viel aufwändige Handarbeit in die Kultivierung dieser Weinberge gesetzt werden muss. Es ist eine Wirtschaft, die fern von technikintensiver Industrialisierung ist. Natur und Kultur sind harmonisch verbunden. Mensch und Natur sind im partnerschaftlichen Spiel miteinander. Wirtschaft richtet sich nicht gegen die Natur. Das tut den Augen und der Seele gut.