Pax Christi Österreich und Pax Christi Italien organisieren von 1. bis 3. September 2023 eine dreitägige Friedensfahrt am Radweg von der Brennergrenze über Brixen und Bozen bis Trient. Rund 40 Personen werden auf dieser Strecke mit ihren Rädern unterwegs sein. Pax Christi ist die internationale Friedensbewegung der katholischen Kirche, die unter anderem in Österreich ökumenisch gelebt wird.
Der Zeitpunkt der Friedensradfahrt ist bewusst gewählt. Der 1. September gilt international als Anti-Kriegstag mit der Botschaft: „Nie wieder Krieg!“ Angesichts der fortdauernden Kriegshandlungen in der Ukraine und in vielen anderen Teilen der Welt sowie angesichts der militärischen Aufrüstung und aggressiver Militärbündnisse braucht es die klaren Botschaften der Kirchen und Religionsgemeinschaften auf der Grundlage der jüdisch-christlich-islamischen Wurzeln: Gott ist Schalom-Friede-Salam. Der Weg zum Frieden führt nur über Gewaltverzicht und Versöhnung. Am 1. September beginnen die christlichen Kirchen auch den Schöpfungsmonat, der bis zum Gedenktag des Hl. Franz von Assisi dauern wird. Frieden mit der Schöpfung und Frieden unter den Menschen sind untrennbar miteinander verbunden. Die Fahrt entlang des Eisacks und der Etsch wird uns daran erinnern, welche Gefahren mit der zunehmenden Erhitzung der Erde aufgrund der veränderten klimatischen Bedingungen verknüpft sind.
Die Orte der Friedensfahrt sind bewusst gewählt. Der Brenner erinnert an eine Grenze, die als Folge von Kriegen über Jahrzehnte willkürlich Menschen voneinander trennte. Zugleich kann dieser Ort auch ein Lehrbeispiel sein, wie auf diplomatischem Weg und über Friedensverhandlungen die Selbstbestimmungsrechte von Völkern und Sprachgruppen gelebt werden könnten. Das zweite Autonomiestatut für Südtirol ist 50 Jahre alt und würde als exemplarisches Modell für die Lösung von vielen kriegerischen Konflikten auf der Welt – vom Donbass über die Krim und Palästina bis nach Tibet dienen können. In Brixen, Klausen, Bozen, Kurtatsch und Trient werden wir die Impulse von Menschen aufnehmen, die mit dieser Gegend verknüpft sind: Das Wirken von Alexander Langer kann als Inspiration für eine Politik dienen, die Mehrsprachigkeit und ethnische Vielfalt als Chance begreift. Die Erinnerung an den Missionar Luis Lintner wird uns einmal mehr die Notwendigkeit eines befreiungstheologischen und politischen Blicks auf die Weltkirche aufzeigen. In Klausen wird der Blick in die frühe Reformationszeit uns für die pazifistische Tradition der Kirchen sensibilisieren, wenn wir an Jakob und Katharina Hutter denken. Der selige Kriegsdienstverweigerer Josef Mayr-Nusser zeigt uns, dass die Worte von Ingeborg Bachmann, die als Mahnung heute auf einem Denkmal in Bozen stehen, „es gibt nicht das Recht zu gehorchen!“, nie ihre Gültigkeit verlieren dürfen. Die Katakombenschule-Lehrerin Angela Nikoletti aus Kurtatsch soll in uns den widerständischen Geist gegen ungerechte Bevormundung wachhalten. In einer Zeit, in der postfaschistische Politik Frieden und Gerechtigkeit gefährden, braucht es solche Ermutigungen. Der rote Faden während der Friedensfahrt von Pax Christi sollen die friedensethischen Impulse sein, die vor 60 Jahren Papst Johannes XXIII. in seiner Enzyklika „Pacem in terris“ ausformuliert hatte. Wir stehen heute, noch mehr als 1963, vor der Gefahr einer atomaren Auseinandersetzung. Heute wird wieder mit Blick auf den Angriffskrieg des russischen Regimes mit dem Konzept des Gerechten Krieges argumentiert, das der Papst vor 60 Jahren durch das Paradigma des „gerechten Friedens“ ersetzt hatte, indem er statt Aufrüstung supranationale Zusammenarbeit und Friedensbildung propagierte.
Dr. Klaus Heidegger, 29.8.2023