Zuletzt ging ich die klassische Runde von der Axamer Lizum über das Halsl, Ampferstein und Marchreisenspitze an einem Frühlingstag, als die Bergwiesen blau vom blühenden Enzian waren. Nun ist Herbst geworden und manche Gedanken und Erinnerungen an den vergangenen Sommer sind golden-satt und tiefblau-klar wie die Farben der Jahreszeit. Die außerordentliche Wärme der letzten Wochen passt so gar nicht zu herbstlichen Temperaturen und macht mir Angst. Der Planet Erde brennt. Bis zu 30 Grad wird an diesem Wochenende das Thermometer in manchen Teilen des Landes zeigen. Vom wärmsten September und Oktober schrieben schon die Zeitungen im Jahr 2022. Und nun heißt es wieder: Der wärmste September der Messgeschichte geht zu Ende. Konkret: Geosphere Austria meldet, dass der September 2023 um 3,5 Grad wärmer war als in den Jahren zuvor. Erderhitzung ist begreifbar. Die von manchen populistischen Politikern und ihren populistischen Massenmedien aufgeheizten Massenmenschen empören sich über die Handvoll Klimakleber, nicht aber über jene, die die Erderhitzung mit ihrem Verhalten und ihrer Politik befördern. Die Bergketten ringsherum sind heute in ungewöhnliche Schleier gehüllt. Die Luft ist angereichert mit Aschestaub, der von den Waldbränden Kanadas stammt. Gäbe es noch deutlichere Zeichen für die Vernetztheit unserer Welt? Ich schiebe meine klimabewussten Gedanken beiseite, will mich einlassen auf die Schönheit der Natur und noch mehr darauf, dass ich diese mit meiner Begleitung teilen darf.
Schnell gehen wir den Steig Richtung Halsl hinauf. In gut zwei Monaten schon wird unten in der Lizum und hinauf aufs Hoadl der Skizirkus losgehen. Die Schneekanonen stehen bereit. Der Speichersee ist gefüllt. Wir sind an diesem Sonntagmorgen spät dran; überholen ein paar andere; kommen zum Einstieg des Klettersteigs; die Ausgesetztheit der Steige zwischen den Felsen ist fast furchteinflößend; die Felsen selbst sind griffig, nicht zu schwer oder mit Stahlseilen versichert. Genussminuten am ersten Gipfel des Ampferstein (2556 m) mit Panoramablick – vor allem hinein in die Stubaier Alpen, deren Konturen von den Wolkenschleiern noch deutlicher hervortreten. Der weitere Ab- und Anstieg auf dem „Lustiger Berglersteig“ zur Marchreisenspitze (2620) ist kurzweilig und erfordert zugleich aufmerksames Gehen und Klettern. Die Schwierigkeit der Tour wird mit T4+ bewertet, bewegt sich also schon im oberen Bereich der Skala. Wir hätten lange am Gipfel sitzen können. Die Zeit erlaubt es nicht. Es gilt das schmale, ausgesetzte Steiglein an der Flanke zum Stubaital weit hinunter zu steigen und dann in einem ebenso schmalen und ausgesetzten Steig zur Malgrubenscharte zu queren, von der aus wir zuletzt auf einer Schotterreise schnell ins Gold-Grün der Lizum hinunterlaufen. Mächtig sieht die Malgrübenspitze von dort unten aus. Kaum zu glauben, dass wir erst vor kurzem noch auf der Spitze dieses Berges standen.
Klaus.heidegger, 1.10.2023