Manchmal geschieht es, dass ich aufwache von einem Traum und mir die Traumbilder ganz bewusst sind, so als wären sie sehbar in einem Film oder lesbar in einem Buch. Meist sind dies Albträume, in denen meine Seele Erlebtes und damit unverarbeitete Gefühle verarbeitet. Der Traum letzte Nacht ging so:
Mit einer größeren Gruppe von Menschen stehe ich an einer Bushaltestelle. Es könnte jene sein, die gerade gegenüber von meinem Küchenfenster ist. Manche der Wartenden haben eine Skitourenausrüstung, andere sind ausgestattet mit einem Surfbrett und wieder andere tragen Kletterzeugs mit sich. Nun halte ich eine Rede wie bei einer Demonstration. Ich rede von der Todeszone, die sich rund um den Äquator zieht und aufgrund der Klimakrise immer breiter wird. Man schaut mich verständnislos an. Ich versuche mit anderen über die Weltklimakonferenz ins Gespräch zu kommen – doch es ist, als kämen kein Laut aus mir, als wären die Laute wie unhörbare Luft und als könnte ich nur lautlos die Lippen bewegen. Ich versuche es immer wieder, mich verständlich zu machen, rede von den Pinguinen, die in der Antarktis aussterben, vom abgelaufenen Jahr mit den höchsten Temperaturen, den Waldbränden, den Dürren und von den Kipppunkten aufgrund der Erderhitzung. Je mehr ich rede, desto mehr scheinen sich die anderen abzuwenden. Wir bräuchten alle ein persönliches, freiwilliges Phase Out vom Verbrauch fossiler Brennstoffe, weil wir auf die Einsicht in der Politik nicht warten können, versuche ich es ein letztes Mal. Dann kommt der Bus – ein langer blauer Doppelbus, so einer, der öfters an der Bushaltestelle vor meinem Küchenfenster hält und auf dem FLUGHAFEN steht und rundherum die Destinationen jener Ziele sind, die von Innsbruck angeflogen werden können: LESBOS, SARDINIEN, TENERIFFA, AMSTERDAM, DUBAI … Alle steigen ein mit ihren Sportgeräten. Ich steige nicht ein. Allein bleibe ich zurück und spüre die Einsamkeit und die Tränen.
Warum ich davon wohl träumte? Ich habe zuletzt viel über die Weltklimakonferenz in Dubai gelesen, bei der sich seit einer Woche bis zu 95.000 Menschen treffen. Wohl alle sind dorthin mit dem Flugzeug geflogen. Vor dem Einschlafen hörte ich im ZIB-2 ein Gespräch mit einem Klimaforscher. Bei drei Grad globalem Temperaturanstieg, so Hans Joachim Schellnhuber, wäre eine Zone in den inneren Tropen rund um die Erde nicht mehr bewohnbar. 2,3 Milliarden Menschen könnten dort nicht mehr leben und müssten fliehen. Das bedeutete ein enormes Konfliktpotential. Der Klimaforscher sprach davon, dass die Welt mit voller Geschwindigkeit gegen eine Wand rasen würde und anstatt auf die Bremse zu steigen, würde noch beschleunigt. Drei Grad Erhitzung würde das „Ende der menschlichen Zivilisation“ bedeuten. Die Politik allerdings und mit ihr die Masse der Menschen habe sich in einer kognitiven Dissonanz bzw. einer kollektiven Verdrängung eingerichtet. Meine Albträume jedoch lassen diese Verdrängung nicht zu.
Klaus Heidegger
(Bild: vom Sturm geknicktes Kreuz auf der Sonnspitze)