Im Tal und selbst auf weit über 2000 Metern ist es warm geworden – jetzt, in der Mitte des Dezembers. Die Lawinenwarnstufe ist auf 2 hinunter gegangen. Der wolkenlose Himmel hat das Dezembertiefblau. Das Freizeitticket bleibt unbenützt. Uns reizt das Gehen von unten weg weit mehr. Der Liftbetrieb im Kühtaier Skigebiet öffnet sich gerade. Wir kratzen mit unseren Fellen am Rande der Skipiste hinauf zur Bergstation der Kaiserbahn und dort dann die bekannte Normalroute hinauf zum Pirchkogel (2828 hm). Ich versuche etwas die so deprimierenden Ereignisse in der Weltpolitik hinter mir zu lassen. Das Blauweiß des Tages und die Bewegung hilft dabei. Schon beim ersten Schneefall vor drei Wochen waren wir hier, gingen gleich zwei Mal hinauf, weil der Pulverschnee so schön war. Diesmal zieht es uns die steilen Nordhänge Richtung Inntal hinunter. Drei Spuren vom Vortag und vor allem die Zuversicht meines Bergfreundes bestärken, dass die Route heute möglich ist. Die Hänge sind sehr steil. Hier scheint nie Sonne hinein und locker und leicht lassen sich die Schwünge im tiefen Pulver ziehen. Durch das Schneetal und die „Grießer“ geht es Richtung Stamser Alm. Auf rund 1900 Meter Seehöhe heißt es dann wieder auffellen. Zwei Studenten, die wir auf dem Weg zum Pirchkogel überholten, folgen unseren Spuren. Ansonsten aber tiefe Bergeinsamkeit, eine großartige Winterlandschaft. Zunächst geht es entlang vom Stamserbach und dann in vielen Spitzkehren, einer langen Querung eines Steilhanges und dann nochmals sehr steil hinauf zum Kreuzjoch. Dankbar sind wir für die perfekte Spur, die am Vortag gezogen wurde. Zum Glück ist heute die Spur nicht eisig hart, denke ich mir, als ich zwei-dreimal mit meiner Spitzkehrtechnik an die Grenze komme. Vom Kreuzjoch gehen wir noch den mit wilden Wechten wunderbar geformten Grat hinauf zum Mitterzeigerkopf. Auf dieser Seite des Sellarintales sind mehr Skitourengeher unterwegs. Die weiten Sonnenhänge beim Grieskogel sind zerfahren. Der Schnee vom Kreuzjoch hinunter ins Klammtal ist aufgeweicht, patzig. Nochmals fellen wir an um auf die andere Seite ins Kühtai zu kommen. Mein Freund ist zuversichtlich, dass dies funktioniert. Wieder wird es steil und wieder sind da einige Spitzkehren zu machen – mit einem Fell, das inzwischen nicht mehr perfekt klebt. Auf der Scharte dann eine typische Dezembersituation: Auf der einen Seite der Bergkette ist der Schnee pulvrig, die Temperatur kühl und Schatten – und auf der anderen Seite dann aufgeweichter Schnee, warm und sonnig. Unter uns ist nun das Skigebiet. Wir steigen noch auf den Gipfel vom Hochalter (2678 m). Statt einem Gipfelkreuz steht hier eine Messstation am höchsten Punkt. Die Abfahrt wird nochmals kurz und sehr steil – zum Glück sind da Lawinengalerien – hinunter zum Hochalterlift und zurück ins Kühtai. Die Runde in Daten, die aber nicht annähernd die emotionale Erfahrung widerspiegeln: Mit all den Pausen gut sechs Stunden und 1900 Höhenmeter. Kleine Warnung: Nur bei besten Schnee- und Lawinenbedingungen zu machen.